Friday 31 August 2012

Eine Endlose Ebbe - Neues aus Griechenland


Nach drei Wochen in Griechenland, verspüre ich den Drang all das aufzuschreiben was ich dort gehört und gesehen habe. Natürlich bin ich hier besonders den deutschen Medien ausgeliefert, und obwohl das zweifellos einen gewissen Einfluss auf mich hat, glaube ich trotzdem, dass ich mein Bestes getan habe die Dinge kritisch zu sehen, und nicht jeden Mist den die Bildzeitung gerade über die Griechen druckt naiv zu schlucken. Es war ja eigentlich die Wut über die schamlosen Lügen über die Finanzkrise die uns dazu bewegt hatte diesen Blog zu schreiben. Lasst uns also dahin zurückkehren, und darüber reden welchen Eindruck Griechenland auf einen Gast aus Leipzig machte.

Während die deutschen Medien im Chor Faulheit und Korruption als Ursachen der griechischen Tragödie ausgemacht haben, haben die griechischen Medien ihrerseits die wahren Wurzeln der Krise benannt. Die Wut über vergangene und gegenwärtige griechische Regierungen wird nur durch die Wut auf Deutschland und seine Politiker übertroffen. Aus mir rätselhaften Gründen, sehen sowohl griechische Fernsehsender als auch Tageszeitungen Deutschland als Erzschurken Europas, und deshalb auch als einen der Hauptgründe für die Verarmung der Bevölkerung. Sie ignorieren dabei dass die Forderungen der Kommission sich von den Deutschen kaum unterscheiden. Oft haben mich Leute gefragt wo ich her komme, und jedes Mal drehte sich bereits vor meiner Antwort bei mir der Magen um, wohlwissend welche Gedanken durch die Köpfe gehen würden, nachdem ich ‚Deutschland‘ gesagt habe. Ein Taxifahrer brachte es auf den Punkt, als er (humorvoll) antwortete: „Aha, dann bist du also der Feind!“

Eins der vielen verlassenen Geschäfte
in der Innenstadt Nafplios
Etwas anderes dass mir aufgefallen ist, war der unterschwellige Nationalismus, den ich als Deutscher wahrscheinlich besonders bemerkt habe. Die Nationalflagge, die an jeder Straßenlaterne, jedem Kiosk, und von vielen Balkonen hängt, erinnerte mich an die amerikanische Welle des Ultrapatriotismus, die wir in Europa so verstörend fanden. Ich hatte den Eindruck, dass Griechenland im Moment das gleiche Syndrom durchlebt, denn es ist zu einem Land geworden, wo die griechische Flagge auf dem Etikett ein Werbemechanismus ist. Ich kann natürlich verstehen warum man in Krisenzeiten Produkte aus dem eigenen Land kaufen will, aber ich halte es dennoch für bedenklich an einen Laden zu schreiben: „Wir verkaufen nur griechische Waren!“ Neben dem Nationalismus stört mich daran aber noch etwas anderes. Die Idee, dass man durch leicht verändertes Konsumverhalten das Land aus der Krise führen kann erweckt den Eindruck, dass die Verantwortung für alles Übel bei den einfachen Griechen liegt die früh in die Bäckerei gehen und Tiropites kaufen. Nein, die Verantwortung liegt bei denen die seit Beginn der Krise 2009 monatlich 4 Milliarden Euro außer Landes gebracht haben um den Steuern zu entgehen; diese Menschen verachten ihr Land, und deren Geld hätte so viel zur Lösung der Situation beitragen können. Verantwortung liegt bei den Banken, die Griechenland billige Kredite gegeben haben, und bei den korrupten Regierungen.

Die griechische Krise ist überall mit bloßem Auge sichtbar, besonders in den Touristenhochburgen. Wir haben in der Hauptstadt von Naxos mit einem Restaurantbesitzer gesprochen, der uns erzählte, dass seit 2009 jedes Jahr weniger Touristen auf die Insel kamen, und dass 2012 absolut katastrophal gewesen sei. Ich sah die einst mit Menschen gefüllte Innenstadt von Piräus verwahrlost und verlassen. Überall waren Aufkleber mit der Aufschrift ‚ENOIKIAZETAI‘ (zu vermieten), und viele Schaufenster waren zugeklebt oder vernagelt. Als ich 2008 Nafplio besuchte, fand ich eine kleine Stadt voller Leben, während dieses Jahr weit und breit kein Mensch zu sehen war. Die griechischen Benzinpreise können inzwischen mit Skandinavien mithalten, und durch die stark gefallenen Löhne, wurde in wenigen Jahres aus Normalität Luxus.

Ich möchte diesen Post mit einem Appell beenden: wenn ihr im September noch Last-Minute in den Urlaub fahren wollt, fahrt nach Griechenland, und helft den Leuten die Finanzspekulation zum Opfer gefallen sind. Ich kann bestätigen dass Naxos eine traumhafte Insel ist, mit goldenen Stränden und gastfreundlichen Menschen. Griechenland lebt auch vom Tourismus, und es gibt tausend gute Gründe seine unzähligen Inseln zu besuchen. Also auf nach Hellas!

Harald Köpping

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