„Der Krieg wird
das Schlechteste in uns hervorbringen“ – das war die Hauptbotschaft des
ZDF-Fernsehdreiteilers über das Schicksal von fünf jungen Menschen während des
zweiten Weltkrieges. Es ist auch die Botschaft von Martin Schulz, dessen
Rezension des Filmes heute morgen in der Frankfurter Allgemeinen stand. Ich
lebe schon seit über einem Jahr in Deutschland (sehr zum Leid meiner Eltern!),
und von Beginn an war ich erstaunt über die Menge an Dokumentationen über den zweiten
Weltkrieg und die Nazis, die hier im Fernsehen gezeigt wird. Es ist inzwischen
schon fast zu einem Spiel für Harald und mich geworden. Abends macht es den
Fernseher an, und sofort sieht man Bilder vom Krieg oder von Hitler. Halb
schockiert, und halb amüsiert, sage ich ihm dann: „Ich Deutschen seit ja
besessen!“ Vielleicht wegen meiner Schulbildung dachte ich immer, dass diese
Zeit vorbei wäre, Teil einer anderen Ära; dass die europäische Einigung
schlechte Erinnerungen vertrieben hat, und dass wir weiter gegangen sind, dass
dieser Teil der europäischen Geschichte dort bleiben wird wo er in gehört: in
die Geschichtsbücher. Die Eurokrise hat mir das Gegenteil bewiesen. Es hat mir
gezeigt wie zerbrechlich die Konstruktion eigentlich ist, die in Westeuropa
seit den 50er Jahren gebaut wurde.
Szene auf "Unsere Mütter, Unsere Väter" |
Unsere Mütter,
Unsere Väter, ist wohl der erste deutsche Film den ich über den zweiten
Weltkrieg gesehen habe. Zwar habe ich noch nicht alle drei Teile gesehen, kann
ihn aber trotzdem sehr empfehlen. Ich wünschte, dass er übersetzt und in
Griechenland gezeigt wird, dann mir ist etwas sehr unangenehmen widerfahren. Es
begann letztes Jahr zu Ostern, als ich mir Harald nach Griechenland flog um mit
meiner Familie zu feiern. Nach einem tradionellen Lammessen kam ein Nachbar zu
mir, und riet mir dazu, Harald als Österreicher vorzustellen, denn man weiß ja
nie... Es gibt Leute da draußen, denen es nicht gefallen könnte, dass er
Deutscher ist. Harald und ich haben natürlich gelacht, und fanden das alles
lächerlich. Aber jetzt, wo ich darüber nachdenke, war es gar nicht so
lächerlich. Die griechischen Medien haben die Bevölkerung mit der Idee bombardiert,
dass der Merkel-Schäuble-Block den Süden vernichten will. Es hat nicht lange
gedauert, bis erste Vergleiche der Situation in Griechenland mit dem zweiten
Weltkrieg laut wurden. Das macht Harald natürlich sauer. Ganz Europa hat durch
diesen Krieg Millionen Menschenleben verloren, Deutschland 10% seiner
Bevölkerung, Griechenland 4.5%, Polen gar fast 20%. Hier an Deutschland sind
die Spuren den Krieges in jeder Straße nach wie vor zu sehen.
Schulz erinnert
daran, welches Geschenk Deutschland nach dem Krieg gemacht wurde, dann ganz
Europa erlaubte dem Land einen Platz in der Völkergemeinschaft, dass der
Schumanplan und nicht Versailles Europa Frieden bringen sollte, welcher auf
Vergebung statt auf Rache setzte. So steht es ist der Erzählung der
europäischen Einigung, einer Erzählung der Vergebung. Mit dieser Erzählung im
Hinterkopf ist es reichlich schwierig die momentane Situation zu verstehen. Die
europäischen Bürokraten sind nicht dafür ausgerüstet, das was im Süden passiert
zu verstehen, oder darauf zu reagieren. Die Wahrheit ist das der ursprüngliche
Monnetplan für Deutschland Versailles sehr ähnlich war. Der Schumanplan kam nur
durch amerikanischen Druck zu Stande. Die Wahrheit ist, dass Deutschland sehr
wohl bestraft wurde, denn es wurde durch die Mächte dieser Welt geteilt. Die 50
Jahre Sozialismus sind dazu verdammt als ein dunkles Zeitalter in die
Geschichtsbücher einzugehen, und die Ostdeutschen von heute müssen sich der
Geschichtsschreibung des Westens anpassen.
Oft habe ich die
Weimarer Republik mit dem heutigen Griechenland verglichen. Ein wirtschaftlicher
Niedergang kann das Schlimmste in uns hervorbringen, genau wir Unsicherheit
über die Zukunft. Hoffnungslosigkeit bringt in Gesellschaften des Schlechteste
zu Tage. Sowohl die Weimarer Republik als auch Griechenland sind Opfer unseres
Wirtschaftssystems, einem System, in dem Profit und Geld mehr Wert haben als
Menschen; einem System, wo Krieg sich positiv auf das Wirtschaftswachstum
auswirkt, während das Gesundheits- und Bildungswesen nur Kostenpunkte darstellen;
einem System, in dem Leben ein Geldwert zugeteilt wird (menschliches und
tierisches); einem System, dass die Menschen in Zypern dazu getrieben hat, das
Geld der 1% zu verteidigen, die sich einen Dreck um Armut scheren. Ich war
schockiert als ich Bilder von Menschen sah, die ihre Banken, und damit das Geld
der Reichen, versucht haben zu verteidigen (denn wenn man mehr als €100.000
besitzt, ist man reich). Ich habe gehört, dass die zypriotische Regierung
vorgeschlagen hat, die Steuern zu erhöhen, und die Renten und Einkommen zu
senken, anstatt die Einlagen anzutasten. Wir alle sind Opfer dieses
Wirtschaftssystems. Leider schieben wir die Schuld lieber auf leichtere Ziele.
Nun aber zurück
zum Film und zu den Kommentaren von Martin Schulz, bei denen ich mir ebenfalls
wünschen würde, dass die auf griechisch übersetzt werden. Ich wünschte, dass
die deutsche und die griechische Öffentlichkeit öfter und besser miteinander in
Kontakt treten würden. In Wirklichkeit hat Deutschland nämlich die seine
Vergangenheit vergessen, während andere europäische Länder ihre faschistische
und nationalistische Vergangenheit unter den Tisch gekehrt haben. Die Griechen
sollten an die Gefahren des Nationalismus erinnert werden, und die Deutschen
sollten daran erinnert werden, dass das westdeutsche Modell im Osten nicht ganz
aufgegangen ist. „Die schauen auf den Reichtum der Westdeutschen herab;
Westdeutsche sehen Ostdeutsche als faule Opportunisten die für nichts etwas
haben wollen. Ostdeutsche finden Wessis arrogant und aufdringlich, und
Westdeutsche finden Ossis faul und nichtsnutzig“ (Barnstone, The Transparent State). Erinnert euch
das an irgendetwas? Ironisch, oder?
Alexandra Athanasopoulou
No comments:
Post a Comment