Thursday, 23 May 2013

Happy Birthday SPD!

Wow, was für ein Tag! Das erlebt man wirklich nicht oft, dass man wohin man auch schaut Gesichter sieht, die man sonst nur aus dem Fernsehen kennt. Gabriel, Steinbrück, Steinmeier, Nahles, Schröder, Schmidt, Hollande, Merkel – alle waren sie nach Leipzig gekommen, und es kam einem so vor, als wäre diese Stadt einen Tag lang Europas politischer Mittelpunkt gewesen. Die SPD hat 150. Geburtstag gefeiert, hier an dem Ort wo 1863 der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein gegründet wurde. Ich will nun kurz schildern was heute von Gauck, Holland und Gabriel vorgetragen wurde, und welche Schlussfolgerungen man daraus über die Zukunft der Partei ziehen kann.

Der Festsaal in den letzten
Vorbereitungen
Gaucks Rede war für mich die unspektakulärste. Auf seine gewohnt ‚charismatische‘ Art und Weise plauderte er über die Geschichte der Sozialdemokratie in Deutschland, ging dabei besonders auf die historische Entscheidung ein, sich von den Kommunisten abzugrenzen, ‚denn wo Kommunismus hinführt, das wissen wir ja alle.‘ Wie üblich äußerte er sich auch über die DDR, beschränkte seine Analyse aber auf die dort stattgefundene Unterdrückung. Die Geschichte der SPD fand nur in Westdeutschland statt, woraus für mich der Eindruck entstand, ich muss die Geschichte eines Landes in dem ich nicht geboren bin, als meine eigene Geschichte akzeptieren. Ich war froh als Gaucks Rede vorbei war.

Als der französische Präsident nach dem Abklingen der Marseillaise die Bühne betrat, war vermutlich der Höhepunkt der Veranstaltung erreicht. Hollande bezog sich lange auf das Godesberger Programm, dass die SPD 1959 verabschiedete. Die Partei vollzog mit diesem Programm den Wandel hin zur ‚Volkspartei‘, indem sie sich zur sozialen Marktwirtschaft bekannte. Hollande bekräftigte, dass Reformen und Kompromissbereitschaft nicht bedeuten, dass man keine Ideale mehr hat, sondern dass politischer Realismus der einzige Weg ist, Fortschritte auf dem Weg zu einer sozial gerechteren Gesellschaft zu machen. Hollande erinnerte auch in die Völkerschlacht, und an die Kriege zwischen Deutschland und Frankreich, die Millionen junger Europäer das Leben kosteten. Die wichtigste Aufgabe der Sozialdemokratie in Europe bestünde heute darin, die massenhafte Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Daraufhin gab es minutenlange Beifälle unter stehenden Ovationen. Hollande muss es gut getan haben mal wieder gejubelt zu werden, wenn auch von einer Elite, wenn auch nicht im eigenen Land.

Peer kommt die Treppe runter
Schließlich stieg auch Sigmar Gabriel ans Rednerpult, verhaspelte sich kurz und nannte Merkel die Bundespräsidentin, sagte aber dann er seie ‚seiner Zeit vorraus‘, und brachte so den ganzen Saal zum Lachen. Gabriel rezitierte auf ein neues die Geschichte der SPD, und hob hervor, dass die Partei in ihrer Geschichte als einzige Partei nichts getan hat, dessen sie sich so schämt, dass die ihren Namen hat ändern müssen. Während Merkel am Anfang noch klatschte, tat sie es nun nicht mehr. Gabriel war sichtbar wütend darüber dass Milliarden für die Bankenrettung ausgegeben wird, aber für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit nur Minipakete übrig bleiben, mit der Wirkung von ein Paar ‚homöopathischen Dosen‘. Gabriel redete über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, und versteht es als die Aufgabe der SPD, zukünftigen Generationen ein gutes, selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Die SPD bleibe damit ihrem Emanzipationsideal treu.

Was bedeutet die über die Partei? Ich frage mich, was Ferdinand Lasalle als Gründervater wohl gedacht hätte, wäre er heute in diesen Saal gekommen. Ihm wären die vielen Anzüge aufgefallen, die schwarzen 5er BMWs vor dem Eingang, aber auch eine Partei, die nach wie vor zwei Gesichter besitzt. Auf der einen Seite ist da der unterkühlte Peer Steinbrück, der zwar hochkompetent ist, einem aber manchmal so vorkommt, als sei er selbst Interessenvertreter der Großkonzerne. Es vertritt wohl einen Flügel der SPD mit dem ich wenig anfangen kann. Sigmar Gabriel hingegen ist ein leidenschaftlicher Politiker, der für die alten Ideale der SPD steht. Auch dieser, auf Gerechtigkeit besinnte Teil der Partei existiert nach wie vor, und in ihm fühle ich mich zu Hause. Diese Kluft ist in der SPD nicht neu, und insofern hätte Lasalle sich wohl so fremd nicht gefühlt. Allerdings denke ich trotzdem, dass die SPD sich nur dann wieder finden kann, wenn sie eine konkrete, von Werten, und nicht von Realismus geprägte Vision für Deutschland und das vereinigte Europa liefern kann. Eine angepasste, marktkonforme SPD wird sich bei Wahlen nicht durchsetzen können, und wird so weiter zur Depolitisierung unserer Gesellschaft beitragen.

Harald Köpping

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