Peer
Steinbrück wurde letzte Woche zum Kanzlerkandidaten der SPD erklärt. Der
ehemalige Bundesfinanzminister soll also Merkel ablösen, gemeinsam mit den
Grünen eine Regierung bilden, Europa führen, die Eurokrise beenden, den Banken
Ketten anlegen und das Image Deutschlands in Europa korrigieren. Der hat er ja
einiges vor sich, denn es geht hier nicht um eine Steuerreform, wo ein Abnicken
des Parlaments alles ins Rollen bringt, sondern um ein wenigstens innerhalb der
Eurozone koordiniertes Projekt. Führungsstärke bedeutet in diesem Zusammenhang
vor allem Verhandlungsgeschick. Glücklicherweise sitzt mit Hollande in
Frankreich ein französischer Präsident im Elysée-Palast, und die geteilten ideologischen
Ansichten könnten die deutsch-französische Maschine wieder anwerfen. Viele
Dinge spielen Steinbrück zur Zeit in die Hände,und weil ich mich auch schon
persönlich mit ihm unterhalten habe, will ich meine Meinung kund tun zur
Nominierung des Hamburgers. Ein Klischee über die Deutschen wird er schonmal voll bestätigen, denn
ziemlich steif wirkt er, und selbst bei seinen Witzen vermag er es nicht die
Mundwinkel ein wenig zum Lächeln zu bringen.
Ein bisschen grimmig guckt er oft: Peer Steinbrück |
Steinbrück ist
ein Pragmatiker und kein passionierter Charismatiker. Von Ideologien hält er
wenig. Einmal hörte ich ihn bei einer Veranstaltung des sächsischen Landtages zur
Politikverdrossenheit sprechen. Es sagte, die Menschen interessieren sich vor
allem deshalb nicht mehr für Politik, weil es ihnen verhältnismäßig gut geht.
Natürlich kamen daneben auch Themen auf wie die Komplexität der politischen
Themen der letzten Jahre, oder das Unvermögen der Politiker Inhalte
verständlich zu transportieren. Steinbrück selbst kann vor einem
Akademikerpublikum außerordentlich gut sprechen, aber wenn es darum geht
alltägliche Sprache zu verwenden um Sachverhalte zu erklären, tut er sich
schwer. Steinbrück sagt oft man unterschätzt die Bürger, aber ein allzu
akademischer Diskurs wirkt arrogant und weltfremd. Man merkt an der Art wie er
redet mit welchen Menschen er sich umgibt. Etwas abgucken kann er sich da bei
Hannelore Kraft, deren Nähe zu Bürgern und Partei man bereits aus zwei Sätzen
ablesen kann. Ich fragte Steinbrück dann, ob nicht vielleicht die
Entideologiesierung der Parteien etwas mit der Politikverdrossenheit zu tun
hat. Er sagte, mit Ideologien gewinne man keine Wahlen. Das stimmt vielleicht,
aber bei Themen wie Stuttgart 21 merkt man wie sehr eine politische
Polarisierung Bürger motivieren kann, sich politisch zu engagieren. Steinbrück
sagt, die SPD muss „unterscheidbar“ sein, doch wie soll das gehen wenn sie sich nicht mehr über
eine Ideologie definiert, über eine Vision? Vielleicht hat die Vision des
Sozialismus historisch bedingt in Deutschland ausgedient, aber es gibt durchaus
Modelle, die visionären Character haben, wie die Mondragón-Genossenschaft in
Spanien. Daran könnte sich die SPD durchaus orientieren, ohne mit Sozialismusgerede
auf den falschen Zahn zu treffen. Außerdem ist Europa selbst doch eine Vision,
begründet auf der Vorstellung des ewigen europäischen Friedens. Die SPD wird
sich im Wahlkampf zur Europapartei profilieren müssen.
Hasenzähne und modische Brille: Steinbrück im Jahr 1990 |
Steinbrück
will EU-Parlamentswahlen mit Spitzenkandidaten für den Posten des
Kommissionspräsidenten, aufgestellt durch die Fraktionen des europäischen
Parlaments. Er will die Kommission zu einer europäischen Regierung umbauen, und
die Institutionen auf diesem Weg durch und durch demokratisieren. Es will dazu
das Grundgesetz ändern, beruhend auch einem Volksentscheid. Umfragen tendieren
zwar im Moment deutlich gegen einen solchen Schritt, aber mit überparteilicher
Unterstützung wäre das vorstellbar. Doch die Schaffung eines
europäischen Bundesstaates die daraus effektiv resultiert, geht nicht ohne Feuer und
Flamme für Europa, und ich bin mir nicht sicher ob Steinbrück es schaffen kann,
die Bürger Deutschlands und Europas für Europa zu begeistern.
Steinbrücks
Pragmatismus hat aber auch Vorteile. Im Gegensatz zu den neoliberal
durchtünchten Gestalten der Merkelregierung, hat für Steinbrück die Regulierung
der Banken absolute Priorität. Er will die Banken in einen Investmentbereich
und einen Kreditbereich aufspalten, was dazu führt, dass das Risiko bei
Finanzspekulationen nicht mit normalen Sparern geteilt wird. Er will die
Finanztransaktionssteuer, und das schon seit Jahren. Er will einen europäischen
Bankenfond, der im Falle eine Pleite statt unseren Steuergeldern zum Einsatz
kommt, und der von den Banken selbst finanziert wird. Rückenwind bekam er diese
Woche von der europäischen Kommission, die zumindest die ersten zwei Schritte
ebenfalls befürwortet. Originell sind seine Ideen also nicht, und das hat er
auch nie behauptet. Trotzdem sind die sinnvoll und notwendig. Die Erkenntnis,
das bestimmte Schritte die linke Politikwissenschaftler schon vor Jahrzehnten
vorgeschlagen haben einfach notwendig sind, muss man ihm anrechnen.
Alles in allem
halte ich Steinbrück für eine gute Wahl. Die Sache mit den Vortragshonoraren
ist recht unproblematisch – das Gehalt eines Bundestagsabgeordneten (rund €10.000
im Monat) ist zwar hoch aber nicht unangemessen. Ich kann mir gut vorstellen dass er der Deutschen Bank sogar die Leviten gelesen hat, und wenn er dafür von den Gaunern bezahlt wird - warum nicht? Für seine Vorträge bei öffentlichen Institutionen hat er kein Geld verlangt.
Also: wenn
kein Skandal dazwischen kommt, werde ich Steinbrück unterstützen. Er ist der
beste Kandidat der SPD, und ein guter Kandidat für Europa. Was ihm noch fehlt
ist sind Feuer und Flamme, aber
vielleicht kommt das noch.
Harald Köpping
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