Sunday, 6 October 2013

Europäische Asylpolitik: Warum Dublin abgeschafft werden muss

Mehr als 300 tote Flüchlinge an Europas Mittelmeerküste sollte uns eigentlich dazu anregen, über die Grundlagen der europäischen Flüchlingspolitik ernsthaft nachzudenken, doch bei den Reaktionen europäischer Politiker stößt man vor allem auf grenzenlosen Zynismus. „Kann man mehr tun? Ja, aber das ist eine Sache der Mitgliedsstaaten,“ sagte vorgestern ein Sprecher von Innenkommissarin Cecilia Malmström. „Man darf sich da keine Illusionen machen,“ sagt der Sprecher, und weist darauf hin, dass es „nicht realistisch ist zu denken, dass man jede Tragödie oder jeden Tod im Mittelmeer vermeiden könnte.“ Zwischen 1993 und 2012 sind insgesamt 17,306 Menschen beim Versuch Europa zu erreichen ums Leben gekommen, mal ganz von den undokumentierten Toten abgesehen. Ist es etwa idealistisch zu glauben, dass ein anderen Europa alles in seiner Macht stehende hätte tun sollen, um diesen Menschen das Leben zu retten? Ein Massengrab im Mittelmeer ist der Preis, den die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten gewillt sind zu zahlen, um Flüchtlinge daran zu hindern, die EU-Außengrenze zu überschreiten.

Hunderte Tote in Lampedusa
Eigentlich wollte ist diesen Eintrag ganz anders beginnen, denn das Thema, um das es mir gehen soll, ist ein Anderes, obwohl es im gleichen Zusammenhang steht. Vor ein paar Wochen sind Alex, ich und unser Hund Napo zusammen mit dem Auto nach Griechenland gefahren, und unterwegs überquerten wir die rumänischen und bulgarischen Grenzen. Obwohl beide Länder schon lange zur EU gehören, wird man an der Grenze noch immer kontrolliert, denn Rumänien und Bulgarien wurde es bisher verwehrt, dem Schengenraum beizutreten. Zuletzt war es die französische Regierung, die sich am heftigsten gegen einen Schengen-Beitritt wehrte, doch Deutschland steht seinem Nachbarland hier in keinerlei Hinsicht nach. Warum das Ganze? Ein paar kluge Journalisten scheinen da Antwort ja gefunden zu haben, und verweisen auf eine potentielle Immigrantenflut aus dem Ostbalkan, oder auf Probleme mit Sinti und Roma. In Wirklichkeit liegt der Grund für das deutsch-französische Veto ganz woanders, und es wird einem beim Blick auf die Landkarte schnell klar wo das Problem liegen könnte. Bisher hat der Schengen-Raum nur eine Grenze mit der Türkei, nämlich über Griechenland. Wenn man über Griechenland irregulär in die EU einwandert, und ohne Grenzkontrollen weiterkommen will, muss man also eine Fähre nach Italien nehmen, was für Flüchtlinge unmöglich ist, ohne aufgegriffen zu werden. Alternativ kann man eine weitere Grenze illegal überschreiten. Wären Rumänien und Bulgarien im Schengen-Raum, könnte man bequem nach Deutschland und Frankreich weiterreisen, ohne kontrolliert zu werden, und genau deshalb gibt es das deutsch-französische Veto.

Bereits 1996 schrieb Sarah Collinson über eine europäische Asylpufferzone, welche im Jahr 2013 größtenteils realisiert wurde. In diesem Fall entsteht eine Pufferzone, indem Rumänien und Bulgarien systematisch der Beitritt zum Schengener Abkommen verwehrt wird. Griechenland wird so mit Absicht von EU-Kerngebiet abgeschnitten, um Flüchtlingen die Weiterreise nach Deutschland oder Frankreich zu verwehren. Für irreguläre Migranten führt der Weg in die Legalität über einen Asylantrag, denn zur legalen Einwanderung braucht man entweder den Pass eines reichen Landes oder einen Job in der EU bei dem man mindestens €60.000 verdient. Nach dem Einreichen des Asylantrages sagt die Dublin-Verordnung, dass in vielen Fällen jenes Land zuständig ist, indem zuerst EU-Territorium betreten wurde. Um die Reiseroute nachvollziehen zu können, werden von jedem irregulären Einwanderer beim ersten Kontakt mit den Behörden eines EU-Mitgliedsstaates die Fingerabdrücke aufgenommen. Es gilt also zwischen den Mitgliedsstaaten folgendes Prinzip: wenn man einem Flüchling die Einreise ermöglicht hat, ist man auch für ihn verantwortlich. Ein Land mit EU-Außengrenze sollte deshalb besser seine Grenzen dicht machen, und Flüchtlinge gar nicht erst einreisen lassen. Ich denke mir das nicht aus, sondern habe das vor Kurzem von einem hochrangigen Mitarbeiter der Kommission bestätigt bekommen, dessen Namen ich hier nicht nennen kann. Die Kommission sagt, es liegt an den Mitgliedsstaaten ein anderes System zu entwicklen – das stimmt aber so nicht. Die im Moment gültige dritte Version der Dublin-Verordnung wurde vor Kurzem von der Kommission selbst vorgeschlagen, und eben diese Verordnung ist teilweise dafür verantwortlich, was jede Woche auf Neue an Europas Grenzen passiert. Das Dublin-System muss enden, und die Kommission hat die politische Aufgabe eine Alternative vorzuschlagen.

Nächstes Wochenende, beim Landesparteitag der SPD-Sachsen, werde ich fünf Minuten Zeit dafür haben, über eine weitreichende Reform des europäischen Asylsystems zu sprechen. Ein von mir entworfener, und von der AG Migration und Vielfalt der SPD-Sachsen eingereichter Antrag dazu liegt vor, und ist hier nachzulesen – er orientiert sich an einem Blogpost aus dem letzten Jahr. Es ist leider eine traurige Ironie, dass die aktuellen Geschehnisse uns für dieses Anliegen Rückenwind geben. Wenn der Antrag angenommen wird, muss er beim Bundesparteitag eingereicht werden, und es besteht die Chance, dass er ins SPD-Parteiprogramm aufgenommen wird. Wünscht mir also viel Glück, denn das hier könnte wirklich etwas bewirken.


Harald Köpping

Friday, 4 October 2013

The Cynics Win: European Asylum Policy 130 Deaths Later

Hundreds of dead refugees on Europe’s shores on a single day should give us cause to reflect on the basic principles of the European asylum policy, but cynics would not be disappointed if they heard the responses of our policy-makers today. “Can we do more? Sure, but that’s the member states’ responsibility,” says a spokesman of Home Affairs Commissioner Malmström. “Be under no illusion,” he continues, “it is not realistic to think that every tragedy, every death in the Mediterranean can be avoided. We are neither naïve nor too idealistic.” Between 1993 and October 2012 there have been 17,306 documented refugee deaths along the borders of Europe. This week this is already the second incident. Is it idealistic to think of a different Europe that does everything in its power to save those lives? The mass grave that the Mediterranean has become is the price that the European Union and its member states are willing to pay to prevent refugees from ever crossing our borders.

Bulgaria's border with Turkey
I have to say I did not mean to start this post like this. The issue that I want to talk about is another, even though it is closely related. Alex, me and our dog Napoleon have recently driven all the way to Greece, crossing Romania and Bulgaria on the way. Although both countries have been members of the EU for some time, we have had to show our ID-cards at the border, as they have not been permitted to enter the Schengen Area. Last week it has been France that has voiced its opposition the loudest, although Germany has been equally vocal. Ever wondered why? Well, it seems that some journalists have come to some very insightful conclusions on the matter. Reuters links it to a supposed “new influx of immigrants if Romanian and Bulgarian citizens are allowed to travel freely without passports in the Schengen zone.” France24 thinks immediately of a potential Roma-issue, ignoring that the border between Romania and Hungary poses no frontier to EU-citizens, which the Roma in question clearly are. In reality the reason for the Franco-German veto is to be found elsewhere, and it becomes quite apparent when one looks at the map of Europe. At the moment, the Schengen Area has only one border with Turkey, via which a large part of Europe’s irregular immigrations currently enter the EU, and that border is with Greece. From Greece, one has to either take a ferry to Italy, which is next to impossible for a refugee without being spotted, or one needs to attempt crossing another border illegally. If Romania and Bulgaria were to join Schengen, one could easily travel to the EU-core without the need for any further hassle. Keeping Romania and Bulgaria out of Schengen avoids such a scenario.

In 1996 Sarah Collinson wrote about the construction of a European asylum buffer zone. In 2013, this buffer zone has, for the most part, been realised. In this case, a buffer zone is created by the unfounded and systematic exclusion of Romania and Bulgaria from the Schengen Area. Greece is thus deliberately cut off from the mainland EU, preventing irregular migrants from reaching the European core. The only way for irregular migrants into legality is an asylum application, as regular immigration requires either a rich country’s passport or a job in the EU with an income of over €60,000. If an asylum application is finally submitted, the Dublin-Regulation establishes that in many cases an asylum application needs to be handled by the member state of first entry into the EU. To verify which member state that is, the fingerprints of every irregular migrant are taken upon first contact with public officials. The idea behind these rules is that if an immigrant is able to illegally enter a member state’s territory, it is that same member state’s responsibility to deal with them, and to finance and lodge them while their application is processed. If you have an external border, you thus want to do everything in your power to prevent asylum seekers from entering your territory. I have had this confirmed by an official from within the Commission during my PhD research, whose name I cannot give here. The European Commission says that it can do nothing, that it is up to the member states to create a more humane asylum system. This is a fallacy. The Dublin-Regulation, which the Commission itself has proposed, is in part responsible for the ever-increasing fortification of the EU. The Dublin-system has to end, and it is the role of the Commission to propose an alternative.

Next weekend, at the party congress of the Saxon SPD, I will have five minutes to speak on a substantial reform of the European asylum system along the lines of a previous blogpost. I had drafted a proposal on this, which has now been submitted the party in the name of the working group “Migration and Diversity” of the Saxon SPD. If the proposal is accepted, it will be forwarded to the national party congress, where it will again have to be presented. Wish me good luck that things are going to work out. If this all works out as planned, it could really make a difference.


Harald Köpping


Collinson, S. (1996). Visa Requirements, Carrier Sanctions, 'Safe Third Countries' and 'Readmission': The Development of an Asylum Buffer Zone in Europe. Transactions of the Institute of British Geographers. 21 (1). 76-90.

Wednesday, 3 July 2013

Asyl für Snowden in Europa?

Edward Snowdens Offenbarungen über ein weitreichendes amerikanisches Spionageprogramm haben in ganz Europa für Schock und Empörung gesorgt. Millarden europäischer SMS, Telefonate und Emails wurden systematisch vom US-Geheimdienst überwacht, und die diplomatischen Vertretungen der EU in Washington und New York wurden verwanzt und abgehört. Die Frage, ob die EU in der internationalen Politik eine Rolle spielt oder nicht, ist beantwortet.

Edward Snowden
In den letzten Tagen gingen Schlagzeilen über Snowdens Asylanträge in mehreren europäischen Ländern durch die Presse. Manche meinten, man solle Snowden Asyl bei uns gewähren,  damit die Russen den Skandal nicht weiter instrumentalisieren können. Europe hätte damit die Chance, jemanden zu belohnen, der uns einen großen Dienst erwiesen hat. Außerdem könne man Russland damit eins auswischen, da Putin es schwer hätte, Snowden weiterhin auf russischem Territorium zu behalten. Ich jedoch glaube, dass Europa einen schweren Fehler begehen würde, wenn Snowden hier Asyl bekäme, und das aus zwei Gründen:

Zunächst würde Europa mit zweierlei Maß messen, wenn man Snowden Asyl anböte. Wäre nicht Europa sondern China in den Skandal verwickelt, würde uns die ganze Sache dann überhaupt interessieren? Niemand würde das Wort Asyl auf nur in den Mund nehmen, und vielleicht wäre Europa sogar froh über die amerikanische Spionagepolitik. Wenn Snowden hier Asyl bekäme, hätten im Grunde alle Amerikaner, die wegen Verrats gesucht werden das Recht, in Europa unterzukommen.

Zweitens nervt mich die mediale Verwendung der Wortes ‚Asyl‘. Laut Genferflüchtlingskonvention hat das Recht auf Asyl wer

„aus der begründeten Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will; oder der sich als staatenlos infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.“

Die USA sind eine Demokratie mit einer der längsten demokratischen Traditionen und einer der besten Verfassungen der Welt. Es wird dort keine Gruppe systematisch verfolgt, und die USA sind mit Sicherheit kein totalitärer Staat. Edward Snowden hat freiwillig für eine Einrichtung gearbeitet, deren Aufgabe es ist, Geheimnisse zu hüten. Er wusste genau, dass er als Verräter gelten würde, wenn er diese Geheimnisse verrät – eine ganz normale Sache in wohl allen Staaten dieser Welt. Snowden leidet nicht unter politischer oder religiöser Verfolgung, und ihm Asyl zu gewähren würde nicht nur gegen die Genfer Flüchtlingskonvention verstoßen, sondern es wäre auch eine Beleidigung für all jene Flüchtlinge die wirklich hilfe und Schutz benötigen.

Trotzdem sollte man die Beziehungen zwischen den USA und Europa überdenken. Während die kulturellen, wirtschaftlichen und geostrategischen Gemeinsamkeiten der beiden nicht zu leugnen sind, muss es auch Grenzen geben. Gegenseitige Spionage stellt eine solche Grenze dar, die nicht überschritten werden darf. Die Europäische Kommission verhandelt gerade mit den USA über die Errichtung der größten Freihandelszone der Welt. Obwohl dies eindeutig dazu dient die hegemoniale Position Europas und Amerikas in der Weltwirtschaft zu vertiefen, können beide Parteien von einem solchen Abkommen nur profitieren. Europa muss Druck auf die USA ausüben: bis Obama die Vorwürfe nicht öffentlich anspricht und aufklärt, dürfen die Verhandlungen nicht fortgesetzt werden. Die USA müssen sich bei ihrem engsten Verbündeten entschuldigen, und wir brauchen eine Übereinkunft die gegenseitige Spionage verbietet.


Ich persönlich mag Snowden nicht besonders. Zuerst verrät er sein Land, veröffentlicht dann geheime Informationen im Namen der Transparenz, fliegt ins semiautoritäre Russland, und stört sich auch nicht daran, dass die russische Regierung sich das zu nutze macht (denkt da noch jemand an Depardieu?). Snowden darf kein Asyl in Europa erhalten.

Harald Köpping

Tuesday, 2 July 2013

Should Europe Grant Snowden Asylum?

Edward Snowden’s revelations about the United States‘ extensive espionage programme have caused shock and irritation throughout Europe. Not only were billions of European text messages, phone calls and emails tapped systematically by the American secret service, but bugs were installed in the European diplomatic representations in Washington and New York. The question of whether or not the role of the EU in foreign policy ought to be taken seriously or not, has been answered.

Edward Snowden
Snowden’s whistleblowing has caused an eruption of arguments about granting him asylum in the European Union. Supposedly, one must not allow the Russians to instrumentalise the scandal for their own benefit, missing an opportunity to award someone who has done a great service to Europe. Offering Snowden asylum would furthermore cause a problematic situation for Russia, which would find it difficult to justify keeping him in Russia much longer. Nevertheless, I think granting Snowden ‘asylum’ would be a fundamentally misled move for Europe, and here’s why:

First of all, Europe would clearly employ double-standards if it was to grant Snowden shelter. Would we care about the case at all, if Snowden revealed that the NSA is spying on China? We might actually be grateful about the additional intelligence. The only reason why the case is of concern to us is because it affects Europe. If principles rather than double-standards where employed, all persons wanted by the Americans for treason are potential asylum applicants in Europe.

Secondly, I am somewhat annoyed by the media’s use of the word ‘asylum’. The Geneva Convention on Asylum defines a refugee in the following manner:

“A person who owing to a well-founded fear of being persecuted for reasons of race, religion, nationality, membership of a particular social group or political opinion, is outside the country of his nationality and is unable or, owing to such fear, is unwilling to avail himself of the protection of that country; or who, not having a nationality and being outside the country of his former habitual residence as a result of such events, is unable or, owing to such fear, is unwilling to return to it.”

The United States is a democratic country, with one of the longest democratic traditions and one of the best constitutions in the world. No group is systematically persecuted, and the US is certainly no totalitarian state. Edward Snowdon voluntarily worked for an agency whose job it is to keep secrets. He knew that if he accepts this job, breaching the terms of his contract may be considered treason. This is not unique to the US, but it is the case in pretty much all states. Snowdon does not suffer from persecution, and granting him asylum would not only go against the Geneva Convention on the matter, but it would be an insult to all those refugees who come to Europe in a serious need for protection.

Nevertheless, the relationship between the EU and the US needs to be reconsidered. While the cultural, economic and geostrategic ties between the two regions are undeniable, there are limits to the strains that can be put on the alliance. The European Commission is currently in the process of negotiating the transatlantic free-trade agreement, which would create the largest FTA in the world. While this FTA clearly serves the purpose of entrenching the hegemonic position of Europe and America in the global political economy, both Europe and America may nevertheless benefit from it immensely. Pressure ought to be put on the US by putting these negotiations on halt until Obama has issued a public statement clarifying the accusations. The US needs to apologise to its closest ally, and an agreement between Europe and America preventing hidden mutual surveillance is needed.


I personally don’t like Snowden very much. He betrays his country, publishes secret information in the name of transparency, goes to semi-authoritarian Russia, and then allows the Russian government to instrumentalise the scandal for its own benefit (anyone else think of Depardieu?). Granting him asylum in Europe ought to be out of the question.

Harald Köpping

Friday, 14 June 2013

Irrwege der Sparpolitik Teil I: Die Fehldeutung der Krise

Vor ein paar Tagen stellte sich der französische Präsident Hollande bei einer Konferenz mit japanischen Unternehmen ans Rednerpult und verkündete lautstark: „Die Krise ist vorbei!“ Wow, das sind ja tollte Nachrichten. Leider hat die OECD gleichzeitig ihre diesjährige Wachstumsprognose für die Eurozone auf -0,6% nach unten korrigiert. Nach vier Jahren Austerität zeigen sich noch immer keine Erfolge, und ich befürchte dass die Sparpolitik Europa in einen Abgrund treibt, aus dem es kein Entkommen mehr gibt. Die Sparpolitik gehört nicht bloß abgeschwächt, sondern abgeschafft.

Dieser Post soll der erste von einer Reihe von Artikeln zu den Fehlern der Sparpolitik werden, und er orientiert zu einem großen Teil an einem Artikel von Robert Boyer zu diesem Thema. Einer der Hauptgründe für des unweigerliche Scheitern der Sparpolitik ist eine fehlleitete Diagnose der Krise – Europas Poltiker verschreiben Antibiotika gegen einen Virus. Eine Grundannahme der Austerität ist, dass die Krise durch unverantwortlich hohe Staatsausgaben verursacht wurde, während sie im Grunde nur ein Auswuchs des privaten Kreditbooms in den USA ist, der auch zur Finanzkrise geführt hat.

Hollande in Japan: "Die Krise ist vorbei!"
Die Deregulierung der Finanzindustrie in den 80er Jahren hat es erlaubt, dass Kredite mit geringer Bonität* abgesichert wurden, indem man sie in Kreditpaketen mit Krediten hoher Qualität vermischte. Man nahm an, dass dadurch des Ausfallrisiko dieser Kredite auf in Minimum reduziert werden könnte, was dazu führte, dass immer mehr der ärmsten Amerikaner Kredite bekommen konnten. Die Banken fühlten sich von der Verantwortung befreit, sich sorgfältig ihre Schuldner auszusuchen, und eine Immobilienblase begann zu wachsen. Der freie und unbesteuerte, weltweite Handel mit Finanzprodukten brachte diese toxischen Kreditpakete unweigerlich auch nach Europa, und als die Blase platzte, mussten die meißten EU-Mitgliedsstaaten ihre ruinierten Banken mit staatlichen Rettungspaketen unter die Arme greifen. Die Krise ist nicht das Ergebnis unverantwortlicher Haushaltspolitik, sondern eines deregulierten Finanzmarktes. Spanien hatte 2008 dank seines boomenden Immobilienmarktes sogar einen Haushaltsüberschuss.


Gründe der Deregulierung der Finanzindustrie

Die wachsende Ungleichheit in den USA
Die Geschichte der Krise beginnt unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, als eine keynesianische Wirtschaftspolitik zu Jahrzehnten nachhaltigen und stetigen Wachstums beitrug. Bis in die später 70er Jahre stiegen sowohl die Produktivität als auch die Gehälter immer mehr an. Als dieser Trend dann in den USA ins Stocken gerat, begannen die Löhne von gering ausgebildeten Arbeitern zu stagnieren. Gleichzeitig stiegen aber die Gehälter für Fachkräfte weiter an, und es bildete sich eine Einkommensschere. Weitreichende Sozialsysteme gleichten diese Entwicklung anfangs noch aus, doch sie basierten auf der Solidität der Reichen gegenüber der Armen, und in den 80er Jahren regten sich erste Widerstände. Die staatlichen Sozialsysteme mussten immer stärker durch Kredite finanziert werden, und die Staatsverschuldung stieg massiv an. Insofern kan man öffentliche Schulden aus Versuch der Regierungen verstehen die steigende gesellschaftliche Ungleichheit auszugleichen.

Die Finanzindustrie wurde nicht nur durch die wachsende staatliche Schuldenabhängigkeit immer wichtiger, sondern auch dadurch, dass man versuchte, trotz der stagnierenden Produktion künstlich Wachstum zu erzeugen. Wirtschaftswachstum und hohe Staatsausgaben konnten nur durch Innovation in der Finanzindustrie aufrecht erhalten werden, und die Deregulierung des Finanzsektors wurde als beste Methode angesehen, dies zu erreichen – diese Deregulierung ist somit als Wurzel des Finanzkrise von 2008 anzusehen, durch die die Sparpolitik ausgelöst wurde.


Strukturelle Probleme in der Eurozone

Die Polarisierung von
Außenhandelsüberschüssen/-defiziten in Europa
Die Probleme von finanzgetriebenem Wachstum  wurden in Europa durch die Währungsunion von 1999 verschärft. Die Einführung des Euro unter strengen, anti-inflationären Regeln hat die Mitgliedsstaaten an einer künstlichen Währungsabwertung gehindert, und die Eurozone ist so konstruiert, dass es keinen organisierten Ausgleichsmechanismus für dieses Problem gibt. Es wurde einfach angenommen, dass sich durch mehr Preistransparenz die wirtschaftliche Lage in den Mitgliedsstaaten angleichen würde; die Realität jedoch sah ganz anders aus. Sogar noch vor der Bargeldeinführung 2002 begann sich die Eurozone zu teilen: da die Regierungen noch immer mit dem Versuch beschäftigt waren ihre Sozialsystem aufrecht zu erhalten, musste Geld beschafft werden, und das funktionierte nicht über eine exportanregende Währungsabwertung. Deutschland betrieb eine deflationäre Niedriglohnpolitik, die den gleichen Effekt auslöst, und die Deutschland zum Exportweltmeister machte. Andere Mitgliedsstaaten besaßen keine großen Produktionskapazitäten, und konzentierten sich stattdessen aus kreditgetriebenes Wachstum und auf ihre Finanzsektoren. Diese Länder waren 2008 dann besonders verwundbar, als die amerikanische Immobilienblase platzte.


Die Sparpolitik ist die falsche Heilmethode

Der Mythos von unverantwortlichen Staatsausgaben ist äußert oberflächlich, und bricht bei genauerem Hinschauen in sich zusammen. Wenn die Kommission ihren Diskurs und ihre Politikempfehlungen nicht fundamental ändert, wird sich Europa nicht erholen können. Die Regulierung der Finanzmärkte, und die Einrichtung eines permantenten europäischen Solidaritätsmechanismus sind von zentraler Bedeutung für die Zurückgewinnung wirtschaftlicher Stärke, und für den Erfolg des Projekts Europa. Die Sparpolitik zerstört nicht nur die Wirtschaft, sondern sie verpflanzt die wirtschaftliche Spaltung Europas in die Köpfe seiner Bürger.

Harald Köpping


* Kurz gesagt ist die Bonität die Wertigkeit eines Kredits. Je höher die Bonität, desto größer ist die Chance, dass dieser Kredit in die Bank zurückgezahlt wird.


Bitte lest auch: Boyer, R. (2012). The four fallacies of contemporary austerity policies: the lost Keynesian legacy. Cambridge Journal of Economics, 36. 283-312.

Thursday, 13 June 2013

The Latest Act of the Greek Tragedy: Public Broadcasters and European Democracy

Last Tuesday I went to see Before Midnight in the cinema. I loved the fact that it was filmed in the Southern Peloponnese, and when I come back home, I realize that ERT - the Greek television and radio broadcaster - is closed. Some times ago we were saying here in this blog that the crisis is not over despite what the head of the Greek government was saying. Once again events are proving us right.

As shocked as many other people, I immediately reacted on the spot to share my disagreement. The comment caused some of my Facebook friends to point out that I should get myself informed about the wages of the people in ERT and how ERT has been continually wasting Greek state funds. I have many feelings on this event that I will try to share here as clearly as possible. On the one side you need to understand that I am part of the Greek diaspora, being born and raised in Brussels and that I therefore have a particularly emotional attachment to ERT. I will thus argue why it is important to for Greece to have a public broadcaster.

Fired ERT employees
Today I am a 25 year old greek who has lived all her life outside Greece. However, when I go to Greece no one can tell. I speak, read and write Greek fluently and I understand all Greek cultural references. Why is that? My parents of course, we spoke Greek at home and they also insisted on the fact that my brother and I go to Greek school as kids. Like all kids we hated it, but at the end of the day I am so grateful to my parents for forcing us to go, because Greek school was an important factor in the construction of my Greek identity. But there would have been no Greek school without the Greek state which funds Greek teachers in countries where there is a big Greek community. Without this service, me and my brother would not consider ourselves Greek today.

The same happens for the Greek broadcaster ERT. I remember the first time we watched Greek TV in Belgium: I was so exited that I was gonna be able to watch TV in Greek like I did during my holidays. Of course I was quickly disappointed because the series I used to watch were broadcasted by private channels. But as I grew up I became more and more interested in Greek public life and ERT was definitely a part of it. Without it I would not have been able to follow the debates that were going on in Greece, as in my house we did not get a computer until I was 17. So as a part of the Greek diaspora, ERT has been for years the link between me and Greece, a link that has now come to disappear. Of course internet is here and I have the possibility to get informed through it. But don’t forget that I am fluent in Greek, which is not the case for the entire Greek diaspora, and all those people who sometimes are further away than I am from Greece, won’t have the possibility to perpetuate their link with Greece. But this is not the first case where the Greek state has completely ignored its immigrant communities. Greeks who leave abroad cannot vote in Greek national elections, they have pay money to take a plane and go to Greece if they want to vote.

What shocked me the most in all this story is the lack of public debate on the issue, not even in the Greek Parliament. The whole thing was decided though a ministerial ruling that did not need to go through the Greek Parliament. I am not an expert on Greek public law, but when I was studying Belgian public law they taught us that a ministerial ruling is supposed to help the implementation of a law that was passed through the Parliament. I still struggle to understand the logic behind shutting down ERT. I doubt that the government would close the Greek public electricity provider (ΔΕΗ) or the water provider (ΕΥΔΑΠ) so abruptly - it would create chaos in Greece. So on Tuesday the Greek government decided that the right to information was a secondary right of Greek citizens at the moment, thereby de facto bringing the country 30 years back. The governments leaves the right to information to private interests because what is left today in Greece are private channel and radios whose main aim is entertainment.

From the reactions in the international media, but also by Greeks in Greece and abroad it looks like the government underestimated the importance of its public broadcaster. In fact, I believe that every democratic country should have a public broadcaster that reflects the public interests. The Lisbon Treaty agrees with me, stating that “the system of public broadcasting in the Member States is directly related to the democratic, social and cultural needs of each society and to the need to preserve media pluralism.” But I will make a small clarification because I read somewhere that shutting down ERT is against the Lisbon Treaty. It is not. What the Lisbon Treaty says is that the Member States have the right to finance a public broadcaster as long as it does not go against the rules of trade and competition of the EU. Basically what it means is that the European Commission did not have the right to ask the Greek government to close ERT. That is why yesterday the spokesperson of the Commission made clear that the EC never asked such a thing from the Greek government. That would have been against the Treaties.

Now what the Greek government has been saying all this time is that ERT did not reflect the public interest and was a nod of clientelism and corruption, which drained the state finance. Well with that definition in mind I can think of some other Greek institutions that need to be shut down. For example today the Greek Parliament has 300 parliamentarians; for a country of 10 million people it is way too much. Why not cut their number in half??

Anyway, once again it seems that this 'euro crisis' has set a bad precedent in European politics that undermines the supposedly democratic features of Greece and of the European Union. But what also pisses me off the most is that now international media are shocked by what is happening in Greece. This 360 degree turn of discourse in the media, comes a bit late. Well, but better late than never...

Thursday, 30 May 2013

Pitfalls of Austerity Part I: A Misdiagnosed Crisis

Yesterday the European Commission gave its annual recommendations for the member states’ economic policies. Barroso said, that “Europe must move beyond the crisis.” Policy proposals focus on growth, rather than austerity, allowing several member states to take more time to cut their deficits. The EU’s executive celebrated the reduction of countries suffering from severe deficits from 24 to 16 since 2011, calling on Germany to consider wage increases to boost domestic demand. Wow, it seems like the crisis is about to pass! Of course, at the same time the OECD reduced the eurozone’s growth forecase to -0.6% this year, down from -0.1% six months earlier.

Barroso seems lost
The Commission is panicking, and it has got every reason to. The EU’s strategy to combat the crisis is failing, and calling the Commission’s proposals “a shift from austerity,” as EurActiv does, seems almost cynical. Giving the member states a few extra years to cut their deficits cannot seriously be called a policy shift, particularly as the proposal is met with resistance from the EU’s largest member state. Austerity should not be weakened a bit, as this would mean a mere extension of the policy – it has to be abandoned altogether. It is 2013, and austerity has been in place for four years without success. It seems necessary to spell out once more why austerity is a misguided, dangerous and hopeless policy that will lead Europe into an abyss that it might not recover from.

This post is the first of a series of blog posts discussing the fallacies of austerity. It draws heavily on an article by Robert Boyer on the subject. One of the major reasons for why austerity cannot work is because it is based on a false diagnosis of the roots of the crisis – Europe’s policy-makers are administering antibiotics against a virus. The underlying assumption behind austerity is that the crisis is caused by irresponsible public spending, when it has really the result of a private credit boom in the US.

The deregulation of the banking sector in the 1980s allowed for toxic subprime loans to be securitized by mixing them with high quality loans. It was thought that this would spread out the fallout risk of these loans to a minimum, allowing for a surge of private lending to the poorest fraction of Americans. Banks felt relieved of the responsibility related to the need for the careful selection of their debtors, and the real estate bubble was allowed to grow. The untaxed free global trade with financial products enabled these loans to be spread out to Europe in particular, and when the bubble burst, several EU member states became afflicted with excessive debt burdens as a result of having to bail out their ruined banks. The crisis is not the result of irresponsible public spending, but of a deregulated financial market. Spain even ran a budget surplus before the shock of 2008 as a result of its own booming real estate market.


Underlying Causes of Financial Deregulation

Growing inequality in the US in the late 20th century
The story of the crisis begins after WWII. Keynesian policies were adopted, allowing for a steady and sustainable growth pattern in the capitalist world over the post-War decades. Productivity and the mean incomes per household were rising. In the US of the late 1970s, the increase in productivity began to slow down, causing the wages for low-skilled labour to stagnate. Wages for in the services sector and in the high-tech industries on the other hand continued to increase, initiating the growth of the income gap. Initially governments were able to compensate for this trend by the establishment of extensive welfare systems, which were based on the solidarity of those with high salaries. In the 1980s, this assumed solidarity was quickly met with resistance, and governments began to finance their welfare system with cheap credit from their central banks. This caused public debt to grow radically. Public debt may thus be seen as the attempt to states to balance out the rising inequality in their societies.

The increasing importance of the financial sectors was due to the rising dependence of governments on debt, as well as to the use of the financial industries to compensate for the slowing growth figures of the manufacturing sector. Economic growth and high public spending could only be sustained by innovation in the financial sector – the deregulation of the financial ‘industry’ was seen as the most effective method to ensure its continuing growth. It is that deregulation that ultimately allowed for the emergence of the financial crisis of 2008 which triggered the implementation of austerity policies.


Structural Problems within the Eurozone

Polarization of trade surpluses/deficits in Europe
The finance-based growth of the post-1970s was exacerbated in Europe by the introduction of the euro. The introduction of a common currency under strict anti-inflationary regulations disallowed the member states from devaluing their currencies. When the euro was designed, policy-makers did not think of a compensating mechanism for this problem, and it was assumed that the price transparency linked to the common currency would drive the participating economies to convergence. Reality was quite different. Even before the introduction of the euro banknotes in 2002, the eurozone had begun to divide. Still faced with the effort to compensate for the rising inequality within their societies, the member states adopted different strategies to finance their welfare systems without increasing exports by devaluing their currencies. Germany adopted a deflationary low-wage policy, which has the same effect as a currency devaluation. This drove up Germany’s exports. Having no strong manufacturing sectors of their own, other member states focused on an imaginary credit-led growth, leading to the vast growth of their financial industries. When the real-estate bubble burst in 2008, these countries were particularly vulnerable.


Austerity is Fighting the Wrong Malady

The myth of irresponsible public spending is extremely superficial, and falls apart upon a minimum of close examination. As long as the European Commission does not fundamentally change its discourse and its policy recommendations on the crisis, Europe cannot recover. The re-regulation of the financial markets, and the establishment of a permanent European solidarity mechanism is of paramount importance to economic recovery and to the success of European integration. Austerity is not only destroying the economy, but it is translating the economic divisions of Europe into the hearts and minds of Europe’s citizens.

Harald Köpping



Also read: Boyer, R. (2012). The four fallacies of contemporary austerity policies: the lost Keynesian legacy. Cambridge Journal of Economics. 36. 283-312.

Tuesday, 28 May 2013

The Misleading Change of Focus in the European Commission’s Discourse on Economic Policy

Olli Rehn
So, this morning I read in the papers that the European Commission said that the Member States should “shift the EU's policy focus from austerity to structural reforms to revive growth.” The authors quote a European Commission official who said that “the main message will be that the emphasis is shifting to structural reforms from austerity.” That sounds interesting, I thought, so I read further in the hope to see a change of discourse by the European Commission just as the article describe. In the last couple of years my hope has been that the European Commission will initiate an alternative discourse within the EU. I am not hoping that the Commission will promote hardcore neo-Keynesian policies tomorrow, but I still hope that it will stop stigmatizing individual countries, and perhaps understand that there are more structural problems within the Eurozone, promoting an approach that focuses on sustainable growth. I can’t describe my disappointment at the end of the article, and I would say that the article is misleading and even dangerous because the title and the first ten lines suggest something completely different from what the article actually says.

So to cut a long story short, the Commission has not stopped promoting neoliberal policies – it has merely changed its justifications. So instead of cutting expenditures and increasing taxes to reduce budget deficits and obtain fiscal consolidation, Member States should reduce the minimum wage when it is too high like in France, or “open up closed professions like taxi drivers.” (What does that remind me of? Oh yeah, they did the same in Greece, wanting to open up the taxi market. I mean of course, people want to become taxi drivers – that was their dream job when they were kids! I have to say at this point that this completely failed in Greece, because now no one takes cabs anymore and it has become somewhat of a luxury. So what exactly is the point of becoming a taxi driver if you have no costumers?). The Commission also wants France to reduce the really rigid labour code, to basically reduce workers’ protection from getting fired.

I have to say this should not really surprise me. The lack of imagination of the Commission’s staff is really worrying. This recycling of old ideas has become a bit annoying, especially because in Greece this has been done for three years and Greece still has one the biggest unemployment rates in the Eurozone. I don’t really get how it’s going to work for France. We are one year away from European elections, and I fear the rise of Eurosceptisicm once again. No one has actually explained that the problem is not the Commission itself, but the people at its top, the composition of the European Parliament and the Composition of the Council. In those three institutions, there is a majority of right wing, conservative/liberal politicians. What are they supposed to say? Let invests to have growth? No, this has never been their ideology. So it is not surprising. So goes the famous quote by Jean Monnet: “Nothing is possible without men and women, but nothing is lasting without institutions.” Monnet also says that nothing is possible without people; people and their ideas matter as much as institutions. So perhaps we should start being more critical of the people who are dictating these policies and not of the institutions. I mean let’s not forget that Olli Rehn is a liberal, member of the Center Party in Finland, what was he supposed to suggest?


Some media just have no critical analysis whatsoever! They only repeat what the Commission says. 

A. A.

Monday, 27 May 2013

Marx gegen Jesus? Warum Sozialismus und Christentum zusammen gehören

Ich bin Christ, und ich bin Sozialist.

Wenn man diese zwei Aussage im gleichen Satz liest, ist man zunächst vielleicht verwundert – war es nicht Marx, der die Religion ‚Opium für’s Volk‘ genannt hat? Steht das ‚C‘ in ‚CDU‘ nicht für ‚christlich‘, und wählen die meißten Christen nicht eher konservativ? Das stimmt vielleicht alles, aber trotzdem glaube ich, dass sich Christentum und Sozialismus nicht gegenseitig ausschließen. Ich bin überzeugt, dass eine Koalition aus Christentum und Sozialismus nicht nur möglich, sondern notwendig ist. Ich möchte diesen Standpunkt nun zunächst aus einer philosophischen, und danach aus einer ethischer Sichtweise belegen.


Der Kapitalismus und die Anbetung der Habgier

Der Kapitalismus ist viel mehr als nur ein Weg die politische Ökonomie zu organisieren – er ist eine Ideologie. Die Ideologie des Kapitalismus nimmt an, dass die soziale Welt vom Eigennutz angetrieben wird, und dass der Dynamik des Marktes die Habgier und der Egoismus des Menschen unterliegt. Jede Entscheidung beruht letztendlich auf Eigennutz, und ein jeder versucht so viel Profit wie möglich für sich selbst herauszuschlagen. Aus dieser Annahme heraus kann man nun Modelle entwickeln, die versuchen, menschliches Verhalten vorauszusagen, denn wenn jeder Akteur in einer Situation stets jene Entscheidung trifft, die mit dem größten Profit verbunden ist, werden Entscheidungen vorhersehbar. Genau wie die Natur Gesetzen unterliegt, ist also auch soziales Verhalten durch Gesetze bestimmt. Die Ideologie des Kapitalismus sieht den Menschen als Zahnrad einer Maschine – unser Verhalten ist im Grunde nicht anders als das eines Computers, bestimmt durch den Algorythmus des Eigennutzes.

Jesus als Sozialist?
Bei Lesen denkt man jetzt vielleicht, dass diese ultra-materialistische Weltsicht nicht allzuweit von der Realität entfernt ist, doch sie sie entmündigt den Menschen davon seine eigenen Entscheidungen zu treffen. Der freie Wille ist bloß Illusion, und wir tragen keinerlei Verantwortungen für unsere Handlungen. Der Kapitalismus ist die ultimative Rechtfertigung für Habgier, Egoismus und Stolz, welche Christen als die schlimmsten aller Laster ansehen.

Christen haben schon immer intensiv über die Frage der Vorherbestimmung diskutiert und Paulus Brief an die Epheser deutet tatsächlich darauf hin, dass die individuelle Erlösung durch Gott verherbestimmt wurde (Epheser 1, 5). Warum jedoch sollte Gott Propheten an die Israeliten senden um sie zu warnen, wenn sie nicht frei darüber entscheiden könnten ihren Lebensstil zu verändern? Warum fordert Jesus von uns an ihn zu glauben, wenn wir letztlich keine Wahl hätten? Es scheint mir eher so, als wäre der freie Wille die Quintessenz der christlichen Weltanschauung.

Eine Maschinenwelt in der alles vorherbestimmt wird ist christlicher Theologie absolut fremd, denn sie würde Gott als ungerecht entblößen, da er genau wusste, dass er die Welt mit seiner Schöpfung ins Unheil stürzen würde. Ich kann nur an einen gerechten Gott glauben, wenn er uns den freien Willen lässt. Das Christentum widerspricht deshalb philosophisch betrachtet dem Kapitalismus, und erlaubt es der Menschheit, ihr Schicksal selbst zu bestimmen.


Der Sozialismus und das Christentum

Eines meiner Lieblingsbücher in der Bibel ist die Apostelgeschichte, in der Lukas die fast utopische Gemeinschaft der frühen Christen beschreibt. Privatbesitz scheint es dort nicht zu geben, und alles gehört der Gemeinschaft:

„Alle aber, die gläubig geworden waren, waren beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam. Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je nachdem es einer nötig hatte.“ (Apostelgeschichte 2, 44-45)*

„Die Menge der Gläubigen aber war ein Herz und eine Seele; auch nicht einer sagte von seinen Gütern, dass sie sein wären, sondern es war ihnen alles gemeinsam. [...] Er war auch keinen unter ihnen, der Mangel hatte; denn wer von ihnen Äcker oder Häuser besaß, verkaufte sie und brachte das Geld für das Verkaufte und legte es den Aposteln zu Füßen; und man gab einem jeden, was er nötig hatte.“ (Apostelgeschichte 4, 32-35)

Auch andere Stellen im Neuen Testament ermahnen Reiche soziale Verantwortung zu haben:

„Nicht, dass die andern gute Tage haben sollen und ihr Not leidet, sondern dass es zu einem Ausgleich komme. Jetzt helfe euer Überfluss ihrem Mangel ab, damit danach auch ihr Überfluss eurem Mangel abhelfe und so ein Ausgleich geschehe, wie geschrieben steht: ‚Wer viel sammelte, hatte keinen Überfluss, und wer wenig sammelte, hatte keinen Mangel.‘“ (2. Korinther 1, 13-15)

Vielleicht bin ich altmodisch, aber meine Definition des Sozialimus sieht den biblischen Schilderungen der urchristlichen Gemeinde sehr ähnlich. Materieller Erfolg ist im Kapitalismus von einer ganzen Reihe Faktoren abhängig. In unserer Gesellschaft zum Beispiel, vervielfacht sowohl das Geschlecht als auch der Bildungsstand der Familie die finanziellen Erfolgschancen.

Ohne das Auffangnetz, das der Staat zur Verfügung stellt, würde wohl so manches Unternehmen nicht gegründet werden. Das Staat sorgt nicht nur für soziale und materielle Sicherheit, sondern unter anderem auch für ein funktionierendes Bildungs- und Gesundheitssystem. Materieller Reichtum wird somit durch den Staat ermöglicht, was widerum höhere Steuern für die, die es sich leisten können, rechtfertigt. Die Bibel bestätigt sozialistische Moralverstellungen mit den obengenannten Versen, und auch mit einem ihrer wichtigsten Grundprinzipien: „Richtet nicht, so werdert ihr auch nicht gerichtet“ (Lukas 6, 37).

Für mich als Sozialist sollte es das oberste Ziel der Menschheit sein, für die Emanzipation jedes Einzelnen von allen Formen der Unterdrückung zu kämpfen. Die Menschheit muss sich von der vom Kapitalismus verordneten Vorherbestimmungsideologie befreien. Jeder sollte die Möglichkeit haben ein selbstbestimmtes Leben zu führen, und seine Talente zu nutzen.

Selbst in der EU, in der es weltweit die gerechteste Einkommensverteilung gibt, ist dies nicht der Fall, und die soziale Mobilität bleibt eingeschränkt. Weiterhin haben drei Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Ich bin überzeugt, dass man eine zentrale Institution (den Staat) damit beauftragen muss, Ressourcen gerecht zu verteilen, um die Möglichkeit zu einem selbstbestimmten Leben zu gewährleisten. Damit meine ich nicht eine undemokratische Diktatur in sowjetischer Tradition, sondern einen Sozialstaat, in dem die wichtigsten Dienstleistungen in öffentlicher Hand liegen (z.B. Energie, Wasser, Banken, Verkehrsinfrastruktur, ÖPNV), und in dem größere Firmen als Kooperativen organisiert sich (nach dem Vorbild Mondragón). Ich glaube, dass die Umsetzung dieser Ziele die mittelfristig wichtigste Aufgabe sozialistischer Parteien in Europa sein sollte. Diese Ziele sind erreichbar, und entsprechen biblischen Grundsätzen. Die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft kann mit der Rechtleitung Jesu in Übereinkunft stehen.


Alte Vorurteile abbauen

Das Christentum und der Sozialismus sind zwei Weltanschauungen, die sich politisch sehr nahe stehen, und trotzdem haben viele Sozialisten historisch für das Christentum nicht viel übrig gehabt, und umgekehrt. Ich kann es oft kaum glauben, dass Marx die Natur des Christentums zu radikal missverstanden hat, und sie mit der der katholischen Kirche verwechselt hat. Trotzdem war die Emanzipation von den Fesseln der Kirche in der Tat eine der großen Aufgaben früher Sozialisten. Heutige Sozialisten sollten sich davor hüten, die Botschaft Jesu mit der Botschaft der Kirche gleich zu stellen.

Christen widerum, müssen ihre politische Apathie überwinden. Wohltätigkeit ist gut, wird aber die strukturellen Wurzeln von Armut und Ungerechtigkeit nicht beseitigen können. Nur durch politisches Handeln kann Armut wirklich bekämpft werden. Es ist erschreckend, dass christliches politisches Engagement meißt nur in Protesten gegen Homoehe, Stammzellenforschung oder Abtreibungsgesetzte zu sehen ist. Jesus wichtigstes Gebot ist es, unseren Nächsten so zu lieben wie uns selbst – wie können wir diesem Gebot folgen, ohne die Struktur unserer Gesellschaft zu verändern?

„Wenn aber jemand dieser Welt Güter hat und sieht seinen Bruder darben und schließt sein Herz vor ihm zu, wie bleibt dann die Liebe Gottes in ihm?“ (1. Johannes 3, 17)

Ich setze meine Hoffnung auf politisches Handeln, das nach innen hin von der Rechtleitung des heiligen Geistes profitiert, und auf ein Christentum, das nach außen hin von den politischen Prinzipien des Sozialismus bereichert wird. Der Antagonismus der Christen und Sozialisten so lange getrennt hat, muss überwunden werden.

Harald Köpping



*Alle Bibelzitate sind entnommen aus der 1984er Lutherübersetzung

Sunday, 26 May 2013

Marx vs Jesus? Why Christianity and Socialism Should Go Hand-in-Hand

I am a Christian, and I am a Socialist.

You may read those two statements with some bewilderment, and you may wonder – wasn’t it Marx who said that religion was the ‘opium of the people’? Doesn’t the ‘C’ in ‘CDU’ stand for Christian, and don’t most Christians vote conservative? While all these things may be true, I believe that Christianity and Socialism are, in fact, not mutually exclusive. I will argue that a coalition of Christianity and Socialism is not only possible, but desirable. I will now proceed to argue this claim from two perspectives – one philosophical, and one moral. It is then up to you to draw your own conclusions.


Capitalism and the Worship of Greed

Capitalism is more than a way to organise the political economy, it is, in fact, an ideology. The ideology of Capitalism presumes that we live in a world ruled by self-interest. The dynamic of the economy develops as the result of the greed and selfishness of every human being. Every decision is based on self-interest, and everyone is attempting to gain as much as possible for themselves. As a result, models can be developed, which attempt to predict human decisions. If we assume that every actor in a situation will always attempt to maximise their profit, human decisions become foreseeable. The natural world is bound to laws, and the behaviour of human beings too, is determined by laws. Capitalism thus views us like automatons in a machine – our behaviour is in essence no different from that of a computer, dictated by the algorithm of self-interest.

You may read this, and you may think that this is not too far from reality. The truth is though, that it removes the ability of human beings to make their own decisions. Free will becomes an illusion, implying that we can no longer be held accountable for our choices. Capitalism is the ultimate apology for greed, selfishness and pride, which Christians see as the worst of human vices.

Historically, Christians have debated intensely about the idea of predetermination. In fact, I have recently read the Epistle of the Ephesians, which seems to suggest that salvation is indeed predetermined (Ephesians 1, 5). However, why would God send prophets to Israel to warn them what would happen, if the Israelites did not change their ways? Why would Jesus call on us to have faith, and to show our faith through our actions, if we have no choice about it? Free will seems to be at the very heart of Christianity.

A machine-world that is pre-determined is alien to Christian theology, for it would portray God as unjust, having created the world knowing full-well that he would plunge us into misery. I can only believe in a just God, if he allows us to make our own choices. I therefore feel that Christianity is philosophically it odds with the logic of Capitalism, allowing me to embrace an idea that allows humanity to choose its own destiny.


Socialism and Christianity

There is something that has always struck me when I read the book of the Acts of the Apostles, where Luke often portrays a utopian society of believers. Private property does not seem to exist, for everything is shared out among the entire community:

“All the believers were together and had everything is common. They sold property to give to anyone who had need.” (Acts 2, 44-45).*

“All the believers were one in heart and mind. No one claims that any of their possessions was their own, but they shared everything they had. […] And God’s grace was so powerfully at work in them all, that there were no needy persons among them. For from time to time those who owned land or houses sold them, brought the money from the sales and put it at the apostles’ feet, and it was distributed to anyone who had need.” (Acts 4, 32-35).

Other books of the New Testament also speak of a social responsibility of people who do well materially:

“Our desire is not that others might be relieved while you are hard pressed, but that there might be equality. At the present time your plenty will supply what they need, so that in turn their plenty will supply what you need. The goal is equality, as it is written, ‘The one who gathered much did not have too much, and the one who gathered little did not have too little’.” (2 Corinthians 8, 13-15).

You may call me old-fashioned, but my definition of Socialism is very similar to the Biblical depictions of early Christian communities. Material success in a capitalist society depends on a number of factors. In our society, being male for example, and coming from a well-educated family, multiplies your chances of making lots of money.

Jesus as a Socialist?
Without the social protection provided by the state, far less people who take the risk of opening up a new business. The state provides social and material security, education and healthcare, and countless other benefits, and the material success of the rich is in part owed to the state, which is what justifies higher taxes for those who can afford to pay them. The Bible confirms Socialist morality with the verses mentioned above, and also with one of Jesus’ most famous statements: “Do not judge, and you will not be judged.” (Luke 6, 37).

For me as a Socialist, the long term aim of humanity should be to bring about the emancipation of every human being from all kinds of oppression. Humanity ought to escape the shackles imposed on it by capitalist determinism. Everyone should have to chance to live his life as he wants, and everyone should be able to use her gifts.

Even in the EU, which is the part of the world with the highest income-equality, this is not the case, and social mobility remains limited. On top of that, three billion human beings do not even have access to clean drinking water. I believe that the only way to provide for the fair distribution of resources is to authorise a central authority with that task – the state. By that I do not mean a Soviet-style undemocratic dictatorship, but a welfare state in which basic services are public property (such as energy, water, banking, traffic infrastructure, public transportation), and in which large private companies function as Mondragón style co-operatives. The implementation of this alternative way of organising society is what I believe the medium-term goal of Socialist parties in Europe should be. I believe that these goals are achievable and that they are in line with Biblical ideas. The establishment of the Socialist society can go hand in hand with following the guidance of Jesus.


Overcoming Old Misconceptions

Christianity and Socialism are two world-views that have remarkably similar political implications. Despite that, many Socialists have historically shown animosity towards Christianity, and vice versa. It often strikes me as hard to believe that Marx so radically misjudged the nature of Christianity by mistaking it for the nature of the Catholic Church. One of the major tasks of early Socialists was however indeed the emancipation from the bondage of organised religion. Socialists today have to beware not to equate the message of Jesus with that of the Church.

Christians, in turn, have to overcome their apathy towards politics. Charity is good, but it will not fundamentally alter the structural problems in human society that cause poverty and human suffering. It is only through political action that poverty can really be alleviated. It is heinous that Christian political engagement today is limited to debates about same-sex marriage, abortion and stem-cell research. The most important commandment of our Lord is to love our neighbour as we love ourselves – how can we follow that commandment without attempting to change the way our society is organised?

“But if anyone has the world’s goods and sees his brother in need, yet closes his heart against him, how does God’s love abide in him?” (ESV – 1 John 3, 17)

I place great hope in political action that is inwardly fuelled by the guidance of the Holy Spirit, and Christianity that is outwardly enriched by the political principles of Socialism. The antagonism that has long separated Christians and Socialists has got to be overcome.

Harald Köpping


*All quotes from Bible apart from one are taken from the New International Version.