Edward Snowdens Offenbarungen über ein
weitreichendes amerikanisches Spionageprogramm haben in ganz Europa für Schock
und Empörung gesorgt. Millarden europäischer SMS, Telefonate und Emails wurden
systematisch vom US-Geheimdienst überwacht, und die diplomatischen Vertretungen
der EU in Washington und New York wurden verwanzt und abgehört. Die Frage, ob
die EU in der internationalen Politik eine Rolle spielt oder nicht, ist
beantwortet.
Edward Snowden |
In den letzten Tagen gingen Schlagzeilen über
Snowdens Asylanträge in mehreren europäischen Ländern durch die Presse. Manche
meinten, man solle Snowden Asyl bei uns gewähren, damit die Russen den Skandal nicht weiter instrumentalisieren
können. Europe hätte damit die Chance, jemanden zu belohnen, der uns einen
großen Dienst erwiesen hat. Außerdem könne man Russland damit eins auswischen,
da Putin es schwer hätte, Snowden weiterhin auf russischem Territorium zu behalten.
Ich jedoch glaube, dass Europa einen schweren Fehler begehen würde, wenn
Snowden hier Asyl bekäme, und das aus zwei Gründen:
Zunächst würde Europa mit zweierlei Maß messen,
wenn man Snowden Asyl anböte. Wäre nicht Europa sondern China in den Skandal
verwickelt, würde uns die ganze Sache dann überhaupt interessieren? Niemand
würde das Wort Asyl auf nur in den Mund nehmen, und vielleicht wäre Europa
sogar froh über die amerikanische Spionagepolitik. Wenn Snowden hier Asyl
bekäme, hätten im Grunde alle Amerikaner, die wegen Verrats gesucht werden das
Recht, in Europa unterzukommen.
Zweitens
nervt mich die mediale Verwendung der Wortes ‚Asyl‘. Laut
Genferflüchtlingskonvention hat das Recht auf Asyl wer
„aus der begründeten
Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität,
Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen
Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er
besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen
dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will; oder der sich als staatenlos infolge
solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem er seinen
gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen
der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.“
Die USA sind eine Demokratie mit einer der
längsten demokratischen Traditionen und einer der besten Verfassungen der Welt.
Es wird dort keine Gruppe systematisch verfolgt, und die USA sind mit
Sicherheit kein totalitärer Staat. Edward Snowden hat freiwillig für eine
Einrichtung gearbeitet, deren Aufgabe es ist, Geheimnisse zu hüten. Er wusste
genau, dass er als Verräter gelten würde, wenn er diese Geheimnisse verrät –
eine ganz normale Sache in wohl allen Staaten dieser Welt. Snowden leidet nicht
unter politischer oder religiöser Verfolgung, und ihm Asyl zu gewähren würde
nicht nur gegen die Genfer Flüchtlingskonvention verstoßen, sondern es wäre
auch eine Beleidigung für all jene Flüchtlinge die wirklich hilfe und Schutz
benötigen.
Trotzdem sollte man die Beziehungen zwischen den
USA und Europa überdenken. Während die kulturellen, wirtschaftlichen und
geostrategischen Gemeinsamkeiten der beiden nicht zu leugnen sind, muss es auch
Grenzen geben. Gegenseitige Spionage stellt eine solche Grenze dar, die nicht
überschritten werden darf. Die Europäische Kommission verhandelt gerade mit den
USA über die Errichtung der größten Freihandelszone der Welt. Obwohl dies
eindeutig dazu dient die hegemoniale Position Europas und Amerikas in der
Weltwirtschaft zu vertiefen, können beide Parteien von einem solchen Abkommen
nur profitieren. Europa muss Druck auf die USA ausüben: bis Obama die Vorwürfe
nicht öffentlich anspricht und aufklärt, dürfen die Verhandlungen nicht
fortgesetzt werden. Die USA müssen sich bei ihrem engsten Verbündeten entschuldigen,
und wir brauchen eine Übereinkunft die gegenseitige Spionage verbietet.
Ich persönlich mag Snowden nicht besonders. Zuerst
verrät er sein Land, veröffentlicht dann geheime Informationen im Namen der
Transparenz, fliegt ins semiautoritäre Russland, und stört sich auch nicht
daran, dass die russische Regierung sich das zu nutze macht (denkt da noch
jemand an Depardieu?). Snowden darf kein Asyl in Europa erhalten.
Harald Köpping