Saturday, 22 September 2012

Mondragón: Es geht auch anders


Alternativlosigkeit. Dies ist der Tenor, der derzeit im politischen Alltag Europas den Ton angibt. Letzte Woche habe ich im Guardian eine Meldung gelesen, die mir zu Denken gab. Ed Miliband, der Vorsitzende der britischen Labour-Partei, sagte der Kapitalismus sei "das am wenigsten schlechte System das wir haben". Das Ziel seiner Partei sei nicht die Abschaffung des Kapitalismus, sondern die Zähmung seiner Kreativität hin zu einem "anständigen" und "humanen Kapitalismus". Im Gegensatz zur Zeit des kalten Krieges, wird heute der Finanzkapitalismus kaum mehr in Frage gestellt, selbst von Parteien von denen man dies eigentlich erwarten müsste.


Sitz der Mondragón Corporation im Baskenland
Dennoch gibt es Alternativen, wenn auch nicht in staatlich organisierter Form. Science-Fiction Autor Kim Stanley Robinson beschreibt in seiner Mars-Triologie die Kolonisierung und die Veränderung des roten Planeten hin zu einer zweiten Erde. Es schildert auf sehr realistische und nachvollziehbare Weise, wie eine neue Gesellschaft sich außerhalb der Erde entwickeln könnte, befreit von tief verwurzelten, archaischen Wertesystemen und Dogmen. Robinsons Bücher stammen zwar aus den 1990er Jahren, aber fast prophetisch erkannte er schon damals das enorme Potential von Genossenschaften, insbesondere das der Mondragón Corporation in Spanien. Mondragón bildet die größte Genossenschaft der Welt, und gehört zu den zehn größten spanischen Unternehmen. Dieser Post soll eine Alternative zum kapitalistischen System vorzeigen, die auch ohne Paradigmenwechsel oder Revolution implementiert werden kann, und das sogar äußerst erfolgreich.

Die Mondragón Corporation wurde in den 1950er Jahren von einem katholischen Priester namens José Maria Arizmendiarrieta im Angesicht spanischer Massenarbeitslosigkeit gegründet, und besaß 2011 insgesamt 83.560 Mitarbeiter. Mondragón hat über 100 Tochterunternehmen, und produziert unter Anderem Kühlschränke, Rolltreppen, oder auch Werkzeug- und Maschinenteile. Auch Eroski, eine der größten spanischen Supermarktketten, gehört zu Mondragón. Als neuer Mitarbeiter kann man sich nach einer Probezeit von sechs Monaten für €12.000 Genossenschaftsanteile kaufen, die dann einerseits als Investionskapital und für Innovation verwendet werden, und andererseits für gemeinnützige Zwecke; im Gegenzug wird man zu einem integralen Bestandteil des Unternehmens. Die Unternehmensführung wird durch eine jährliche Generalversammlung durch alle Mitarbeiter gewählt, und die Geschäftstruktur Mondragóns ist durch und durch demokratisch - auf allen Ebenen entscheiden die Mitarbeiter über die Unternehmensstrategie. Jeder Arbeiter fühlt sich für das Unternehmen verantwortlich, wie dies sonst nur in Managerkreisen üblich ist. Auch in weiterer Hinsicht ist Mondragón revolutionär: die Unternehmensführung darf maximal das 8-fache des Mindestgehalts eines einfachen Mitarbeiters verdienen. Kaum jemand verdient allerdings das Mindestgehalt, weshalb dieser Abstand in der Realität weitaus geringer ist. Man bedenke, dass es sich um ein Unternehmen mit €15 Milliarden Jahresumsatz handelt. Josef Ackermann verdiente seinerzeit das 400-fache eines einfachen Angestellten, und in den meißten Unternehmen dieser Größenordnung sind ähnliche Bedingungen keine Seltenheit. Die Stadt Mondragón hat eine Arbeitslosigkeit von nur 8%, bei einer landesweiten Arbeitslosigkeit von über 25%. Trotz Krise hat Mondragón keine Stellen abgebaut; wegen seiner vielen Tochterunternehmen wurden Mitarbeiter einfach nach Bedarf zugeteilt. Mondragóns Modell scheint zu funktionieren. Zwischen 1990 und 2011 hat sich die Anzahl der dort Beschäftigten vervierfacht.

Mondragón kann uns in vielerlei Hinsicht als Vorbild dienen. Zum einen zeigt es die Vorteile eines koordinierten Arbeitsmarktes, der dazu führen könnte, dass Kündigungen unnötig werden. Dadurch, dass die Mitarbeiter selbst das Unternehmen leiten, ist die Motivation dementsprechend höher. Außerdem ist eine demokratische Unternehmensstruktur einfach gerechter! Gramsci schreibt, dass eine hegemonische Struktur nur durch eine Gegenhegemonie zu Fall zu bringen ist. Die Umformung von rein profitorientierten Unternehmen zu Genossenschaften könnte die Substanz einer solchen Gegenhegemonie bilden.

Heute beende ich den Post mit einem Zitat vom besagten Kim Stanley Robison aus seinem Roman Blauer Mars (meine Übersetzung): "Das System, das kapitalistische Demokratie genannt wird, ist im Grunde nicht demokratisch. [...] Wir müssen uns verändern. Es ist Zeit. Wenn die Selbstbestimmung ein fundamentaler Wert ist, wenn einfache Gerechtigkeit ein Wert ist, dann sind sie überall wertvoll, auch am Arbeitsplatz, wo wir so viel unserer Lebenszeit verbringen." So viel dazu,

Harald Köpping


Hier noch ein Paar Links:

Thursday, 20 September 2012

Klimawandel? Da war doch was...


Anscheinend erwärmt sich der Erde nicht mehr, und die CO2-Emissionen haben aufgehört, denn während die Nachrichten sich reichlich ums Geld und politisches Geplänkel drehen, ist der Begriff ‚Klimawandel‘ quasi nicht mehr zu hören. Wir sind also zurück in der Ära, wo man sich für den Kauf eines sparsamen Autos oder erneuerbarer Energie rechtfertigen muss. Ich werde wieder komisch angeguckt, wenn ich Leuten erkläre, dass ich an der Ampel den Motor abstelle um Benzin zu sparen, oder wenn ich nicht wenn es grün wird wie ein Wahnsinniger auf Gaspedal trete, um fünfzig Meter später wieder anzuhalten. Welch seltsames Verhalten auf einem Planeten der quasi sorglos durchs Anthropozän wandelt. Leider nicht; der Klimawandel ist so echt wie eh und je, doch alle Welt ist ruhig. Wieso sollte man auch eine internationale Vereinbarung treffen um den Treibhausgasausstoß zu senken, während diese Jahr für Jahr unvermindert ansteigen? Wo liegt eigentlich das Problem an ein paar heißen Tagen für uns frieernde Mitteleuropäer? Und ist an der ganzen Sache wirklich was dran? Umfragen belegen zumindest, dass sowohl Deutsche als auch die anderen Europäer immer skeptischer werden, was den Klimawandel anbelangt – das traurige Resultat eines Diskurses der durch schlechte Medienberichte und fragwürdige Umweltpolitik erzeugt wurde. In diesem Post möchte ich mich den Gründen für das Verschwindes des Klimawandels aus den Nachrichten widmen, aber gleichzeitig auch hervorheben, dass diese vom Menschen gemachte Umweltkatastophe weiterhin eine große Bedrohung für das langfristige Überleben der Menschheit auf der Erde bleibt.

Betroffene Gebiete eines Meeresspiegelanstiegs um 1m
Für mich ist es ziemlich offensichtlich warum der deutsche und europäische politische Diskurs der 2000er Jahre von Umweltsorgen geprägt war: Europa ist eine der energieabhängigsten Regionen der Erde. Fossile Rohstoffe sind kaum verfügbar, und der Großteil der europäischen Gas- und Ölverbrauchs wird durch Importe aus Russland und dem nahen Osten gedeckt. Europas Verwundbarkeit bei Preisschwankungen, machte die Erzählung vom Klimawandel zu einem wichtigen Teil erfolgreicher Energie- und Umweltpolitik. Nur durch den Klimadiskurs konnten Megainvestitionen in die deutsche Energieinfrastruktur gerechtfertigt werden, besonders wenn man darauf achten muss zwar unabhängiger zu werden, aber gleichzeitig seine Nachbarn nicht allzusehr zu ärgern. Es ist schwierig, wenn nicht sogar unmöglich zu sagen, ob die Diskussion über den Klimawandel absichtlich begonnen wurde, um den Trend zur Energieunabhängigkeit zu rechtfertigen, aber man kann mit Sicherheit sagen dass er nicht geschadet hat. In Deutschland war der Klimadiskurs nach Fukushima nicht mehr nötig, denn die Öffentlichkeit vertrat die Regierungsposition zum Atomausstieg mit breiter Mehrheit, trotz der massiven Landschaftseingriffe die uns dadurch bevorstehen würden. Abertausende Windenergieanlagen werden zur Zeit gebaut, und gewaltige Hochspannungsleitungen werden braucht um Strom durch den Kontinent zu transportieren. Dieser Argument liefert allerdings nur eine partielle und regional beschränkte Erklärung für das Verschwinden des Klimadiskurses, welches ja nicht nur in Deutschland stattgefunden hat.

Ein weiterer wichtiger Grund ist die veränderte öffentliche Meinung, denn immer weniger Menschen unterstützen eine gegen Klimaveränderungen ausgerichtete Umweltpolitik. Es ist in der Tat richtig dass Umfragen diesen Trend für ganz Europa bestätigen, allerdings wird oft eine einseitige Erklärung dafür angebracht. Journalisten zitieren demnach des Öfteren den ‚Climategate‘-Skandal und die Wirtschaftskrise als mögliche Erklärungen, und wohlmöglich steckt eine Menge Wahrheit in dieser Interpretation. Der IPCC-Bericht von 2009 zeigte, dass tatsächlich Interesse an bestimmten ‚wissenschaftlichen‘ Daten bestand. Damit wurde ein Unternehmen in Frage gestellt, zu dem die Bevölkerung ohnehin schon skeptisch war. Als Europa zwei Jahre lang harte Winter erlebte, sank der Glaube an den Klimawandel sogar noch mehr, obwohl diese Verbindung durch Statistiken schwer nachweisbar ist. Seit 2009 sind die Benzinpreise teilweise um bis zu 50% angestiegen, und die Menschen haben immer weniger Lust dazu höhere Steuern für ein Problem zu bezahlen, bei dem sie sich nicht mal sicher sind ob es überhaupt existiert. Die zeitliche Dimension des Klimawandels ist wohl um einen Faktor zu hoch um rationales Verhalten zu erzeugen, und wieder einmal stecken wir in einem Dilemma fest, in dem Einzelne davon überzeugt sind, dass sie sowieso nichts machen können. Dies alles führt nun dazu, dass die Mehrheit der Europäer zwar doch irgendwie an den Klimawandel glaubt, sich jedoch nicht dazu im Stande fühlt irgendetwas dagegen zu unternehmen. Zum Glück ist die Welt in größere politische Einheiten aufgeteilt, was dieses Koordinationsproblem eigentlich umgehen müsste, doch die öffentliche Trägheit wird auch von den internationalen Beziehungen reflektiert, wo China Europa die Schuld gibt, und Europa Amerika, und wo Amerika sich nicht wirklich darum schert. Also machen wir mal fleißig weiter und blasen heiter CO2 in die Luft – wir können halt nichts dagegen machen. Mal sehen was passiert.

Abschmelzen der Arktis deutlich sichtbar
Ich sage euch was passiert: in den letzten Paar Tagen hat die arktische Sommereisdecke einen neuen Tiefpunkt erreicht. Während in den 80er Jahren noch 8 Millionen km² der Arktis auch im Sommer mit Eis bedeckt waren, sind es im Augenblick nur noch 3.4 Millionen km². Es ist gut möglich, dass noch in diesem Jahrzehnt die arktische Eisdecke völlig verschwinden wird. Das dunkle Meer reflektiert weniger Sonnenlicht zurück ins All als Eis, und das Meer heizt sich auf, was wiederum das langfristige Abschmelzen des Grönlandeises zur Folge haben könnte. Würde auch diese Eisschicht vollständig schmelzen, stünden wir vor einem Meeresspiegelanstieg von mehr als sieben Metern. Der Klimawandel hat seine Relevanz keinesfalls verloren; er vollzieht sich bereits, und Bauern und Förster in aller Welt haben schon jetzt mit seinen Folgen zu kämpfen. Ich bin skeptisch, ob ein neues global koordiniertes Klimaregime zu Stande kommen kann, obwohl dies der beste Weg wäre, um etwas zu erreichen. Europa selbst scheint allerdings auf dem besten Weg zu sein, seine Klimaziele zu erreichen, trotz des nicht gerade selbstlosen Motivs. Ich schließe diesen Post mit einer Zeile der Fantastischen Vier: „Gebt uns ruhig die Schuld, den Rest könnt ihr behalten.“

Harald Köpping


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Saturday, 15 September 2012

Whatever Happened to Climate Change?


I guess the earth must no longer be warming, and that CO2 emissions have stopped, because while we hear much about money and political bickering on the news, one topic that used to fill the headlines has practically disappeared. We are back in the era where I need to justify getting a low-emission car, or buying green electricity. People give me that puzzled look when I explain that I switch off my engine at traffic lights to save petrol, and when I don’t accelerate like a mad person afterwards, only to stop again a minute later. What strange behaviour on a planet that is going through the anthropocene unscathed…of course. No, climate change is as real as ever. But everyone is calm – why bother reaching an international agreement on emission reduction, while they continue to grow every year, and what’s wrong with a few more hot days for us Central Europeans anyway. And is the whole story true in the first place? Polls show increasing scepticism towards man-made climate change, the sad result of a discourse created by the lack of media coverage and European government policy. In this post I want to investigate the causes of the disappearance of climate change from the news reports, highlighting however, that climate change presents a massive threat to continued human existence on earth, and that more needs to be done.

Areas affected by a 1m sea level rise
To me it is quite obvious why the German and European political discourse of the 2000s was permeated by environmental concerns: Europe is one of the most dependent regions of the planet when it comes to energy. Fossil fuel reserves are barely available, and the vast majority of European natural gas and crude oil requirements are met by imports from Russia and the Gulf states. Awareness of immanent ‘peak oil’ and of Europe’s vulnerability to price fluctuations, made references to climate change an essential aspect of the justifications of mega-investments in energy infrastructure, particularly if one has to keep the balance between the need of increased self-sufficiency and good diplomatic relations with one’s geographical neighbours. It is difficult if not impossible to currently answer the question whether the climate change discourse was intentionally started to justify the movement towards energy self-sufficiency, but one can certainly say that it helped. In Germany, the climate change discourse became unnecessary after Fukushima – public opinion widely supported the conservative government’s plans to quit nuclear power, in spite of the move’s inevitable outcome of the large-scale transformation of landscapes. Thousands of wind turbines have been and are being constructed both on and offshore and enormous power lines are needed to transport electricity to the continent. This argument however, offers only a partial and regional explanation for the disappearance of the climate change discourse, which is not unique to Germany.

Another obvious reason for the changing discourse is the decline in public support for action against climate change. While surveys do indeed show this trend throughout Europe, in some cases quite drastically, they often suggest somewhat impartial explanation, which is why I think that the true reasons lie in an interplay of all of them. Surveys thus often cite “climategate” or financial uncertainty due to the economic crisis as the highest ranking factors in determining this alteration. Indeed, there may be some truth to both arguments. The misleading IPCC report on 2009 revealed that there were those interested in producing particular results in climate research, placing an endeavour into doubt, that’s usefulness was seen sceptically anyway. When days got cold in two consecutive European winters, public belief in climate change decreased even further, although this causal connection is very difficult to establish using statistics. Petrol prices have risen dramatically since 2009, in some cases by up to 50%, and people have become less willing to pay extra taxes to fight a problem that they are not even sure exists. The time-scales used in global climate predictions appear to be a power too high to cause rational behaviour, and humanity falls back into the dilemma where it is believed that one’s own individual actions can’t change anything anyway. The result is that the majority (albeit a smaller majority) of Europeans continue to believe in man-made climate change, although they feel unwilling or unable to do anything about it. Fortunately, the world is organised into larger political units that can circumvent the aforementioned coordination problem, yet the public inertia is mirrored in the world of international relations, where China blames Europe, where Europe blames America, and where Americans don’t really care in the first place. So, everyone!, let’s carry on blasting CO2 into the Earth’s atmosphere, because there just isn’t anything we can do. Let’s just wait and see what happens.

Webcam image of the melting North Pole, 22 August 2012
Well, I’ll tell you what happens. In the last couple of days, the Arctic ice cover has shrunk to the smallest extent ever recorded. While the average ice cover for the 1980s was something like 8 million km², it has now dropped to 3.4 million km², breaking the previous record of 2007 by over 500,000km²  - the size France. The 2000s were by far the warmest decade on record, and atmospheric CO2 concentrations have risen by 70% since the beginning of industrialisation. Climate change has by no means lost its relevance; it is happening, and foresters and farmers all over the world can already tell the difference. I am sceptical that globally coordinated action will really come about, although that would obviously be the only way to accomplish a change. I am somewhat more optimistic about Europe itself, which seems to be on track for reducing its own CO2 emissions, although perhaps with a rather non-altruistic motive. I’m going to end this post with a line from a song by Die Fantastischen Vier, which translates into this: “Put all the blame on us; you can keep all the other stuff!”

Harald Köpping


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Tuesday, 11 September 2012

Ein großer Schritt: Warum wir die Raumfahrt brauchen


Wenn ihr die Bibel lest, kennt ihr vielleicht einen Vers aus dem Buch der Sprüche (29, 18): „Wo keine Vision ist, wird das Volk untergehen.“ Dieser Blog soll kein Bibelkommentar sein, aber ich muss doch zugeben, dass der gute König Salomon eine wichtige Wahrheit über den Menschen verstanden hat: wir brauchen eine Vision, eine Offenbarung, ein métarécit, um uns voranzutreiben, um das menschliche Genie zu entzünden. Jede Nacht blicken Menschen aus aller Welt in den gleichen Himmel, sehen den gleichen Mond und die gleichen Himmelskörper. Der Blick nimmt uns manchmal fast den Atem, und ich kann mir kaum vorstellen, was wohl durch die Köpfe unserer fernen Vorfahren ging, als sie allnächtlich dieses Spektakel zu sehen bekamen. Die NASA-Sonde ‚Curiosity‘ (zu Deutsch, ‚Neugier‘), könnte keinen passenderen Namen haben, denn so viel in unserer Kultur haben wir dieser einzigartigen Eigenschaft zu verdanken, ohne jene wir uns wohl kaum wiedererkennen würden. Wie der französische Philosoph Lyotard jedoch vorhergesagt hat, sind wir inzwischen von einer Flut digitaler, quantifizierter Informationen bedroht, und rationales Verhalten ist oft gleichgesetzt mit Egoismus, vielleicht das dunkelste menschliche Laster. Der Entdeckergeist geht immer mehr auch aus unseren Raumfahrtprogrammen verloren, und alles muss eine ‚rationale‘, wirtschaftlich motivierte Begründung haben, um legitim zu werden. Tiefere Fragen über die Legitimierung werden nicht gestellt. Uns wurde erzählt, dass das menschliche Leid auf der Erde uns dazu anregen sollte, all unsere Kraft hier auf der Erde einzusetzen, anstatt sie für Science-Fiction-Abenteuer im Weltraum zu verschwenden. Ich möchte diese Annahme in Frage stellen, und hoffe euch zeigen zu können, das dieser Appell an unser gemeinschaftliches Gewissen nicht nur fehlgeleitet, sondern auch gefährlich ist.

ExoMars (2014) schwenkt ein in den Marsorbit
Im Jahr 2009 bezahlte jeder Europäer aus einem ESA-Mitgliedsstaat €8,64 für das Raumfahrtprogramm, während jeder Amerikaner immerhin $57,54 der NASA zur Verfügung stellte.Das derzeitige ESA-Budget von ungefähr €4 Milliarden reicht allerdings aus, um Sonden zum Mars, zur Venus, und zum Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko zu schicken; mit relativ wenig Mitteln ist also schon relativ viel möglich. Für eine bemannte Mission zum Mars allerdings, bräuchte man eine ganz andere Dimension der Finanzierung. Robert Zubrin und David Bakers Vorschlag für die Entsendung von vier Astronauten zum roten Planeten (siehe Mars Direct) würde mindestens €50 Milliarden verschlingen, verteilt über ein Jahrzehnt. Konservative Schätzungen gehen sogar von €500 Milliarden aus (naja, eigentlich sind wir ja solche Zahlen längst gewöhnt...). Der Weltraum ist teuer, da kommt man nicht drumherum. Um allerdings zu verstehen, warum das Problem kleiner ist als es aussieht, muss man sehen wie diese Kosten eigentlich entstehen.

Man könnte denken, dass die hohen Energiekosten die Preise in die höhe treiben, aber dem ist nicht so. Nehmen wir also an, es kostet €10.000 um ein Kilogramm Ballast in die Erdumlaufbahn zu befördern, was wiederum 50 Liter Kerosin benötigt, dann kommt man so nur auf €50 pro Kilo. Was also einen Start teuer macht, sind die Materialkosten für Raketen, deren eingeschränkte oder nicht vorhandene Wiederverwendbarkeit, und die hohen Entwicklungskosten, also die Mitarbeitergehälter und die Technologieentwicklung, welche aus genannten Gründen doch recht kostspielig ist. Jedoch muss man wissen, dass nur 2,7% des aktuellen ESA-Budgets für die unbemannte Erforschung des Sonnensystems ausgegeben werden. 8,8% und 15,1% werden jeweils der bemannten Raumfahrt und der Raketenentwicklung gewidmet. Der Großteil des Geldes gilt Dingen wie Navigationssystemen und Erdbeobachtungssatelliten. Ein Blick auf das NASA-Budget bestätigt diesen Eindruck. Im Grunde gibt Europa also nur €500 Millionen im Jahr für die Erforschung des Weltalls aus, welche unser Entwicklungshilfebudget nicht mal um 1% ansteigen ließe. Verglichen mit Bildungs- und Gesundheitsausgaben besitzt dieses Geld kaum Relevanz.

Der Mars könnte zur zweiten Erde werden
Ich muss dennoch etwas noch Wichtigeres sagen. Geht es bei der Verbesserung der Lebensverhältnisse auf der Erde wirklich um Geld? Weltraumtechnologien haben immens dazu beigetragen menschliches Leid zu verringern (in Form von Wettersatelliten, Navigationsdiensten, Erdbeobachtung, Katastophenmanagement, etc.), und Geld selbst baut keine Schulen und Krankenhäuser. Unser Planet leidet nicht an Ressourcenknappheit, sondern an einem Verteilungsproblem. Geldmangel ist eine künstlich erzeugte Knappheit, erzeugt durch unseren blinden, schon fast religiös anmutenden Glauben an das monetäre System. Es ist jedoch so, dass wir theoretisch all unser Geld verbrennen könnten, ohne, dass es der Welt dadurch besser oder schlechter ginge. Schließlich sind es Menschen die Schulen und Krankenhäuser bauen und verwalten müssen! Ein Budget für die Erforschung des Weltraums das ein Zehnfaches höher ist als das Jetzige wäre mühelos zu erreichen, und nicht ein Mangel an Ressources verhindert dies, sondern mangelnde öffentlich Unterstützung. Wie so oft benötigen wir internationale Koordination, um Duplikation zu verhindern und um Kooperation zu stärken. Eine Fusion aller Raumfahrtbehörden zu einer Weltraumfahrtagentur würde uns die Möglichkeit bieten mit der Besiedlung des Mondes und des Mars noch in diesem Jahrzehnt zu beginnen. Europa könnte dabei eine besonders wichtige Rolle spielen, da es schon über viele Jahre Erfahrungen auf dem Gebiet der internationalen Zusammenarbeit gesammelt hat.

Es sind durchaus ethische Probleme mit der Erforschung des Weltalls verbunden (diese sind meißt an ökologische Bedenken geknüpft, die bei der Kontamination fremder Planeten mit irdischem Leben eine Rolle spielen), doch das Argument, dass der Weltraum nicht wirtschaftlich ist, führt in die Irre. Es verleitet uns zu dem Gedanken, dass Geld selbst Menschen ernähren kann, welcher von der Wahrheit nicht weiter entfernt sein könnte. Dieser Gedanke ist gefährlich, denn was wir wirklich brauchen ist eine gerechte Ressourcenverteilung. Die Ressourcen, die für das Weltraumprogramm verwendet werden, würden den Hunger nicht beseitigen, doch politische Institutionen wie die WHO geben den industrialisierten Ländern einen Wettbewerbsvorteil, der die Kluft zwischen Armen und Reichen immer breiter werden lässt.  Ungerechtigkeit muss zunächst auf dem politischen Level bekämpft werden (worüber wir ja in vielen Posts berichtet haben), und nicht mit Einschnitten im Weltraumbudget die Wählerstimmen bringen sollen.

Die Zukunft der Menschheit liegt unausweichlich im Weltraum. Zukünftige Generationen werden mit von uns ungeahnten Ausmaßen von Überbevölkerung und Rohstoffknappheit zu kämpfen haben, und die Existenz der Menschheit auf nur einem Planetan birgt ein ständiges Risiko der Vernichtung (sei es durch eine Seuche, einen Atomkrieg oder einen Asteroideneinschlag, um nur ein paar Szenarien zu nennen). Das SETI-Programm hat bisher nur wenige Resulate geliefert, und nach jetzigem Kenntnisstand sind wir im Universum allein – wir sind sein einziges Bewusstsein, und es wäre unverantwortlich das Bewusstsein des Universums auf einem einzigen Planeten zu lassen. Der Mars ist gleich nebenan, und die Kolonisierung des Sonnensystems ist bereits mit heute verfügbaren Technologien machbar. Das ESA-Programm Aurora ist ein ehrgeiziges aber unterfinanziertes Projekt, das bis zum Jahr 2035 Menschen auf den Mars bringen soll, und das dessen Besiedlung in den 2040er Jahren einleitet. Mindestens 25% des ESA-Budgets sollte zu diesem Zweck verwendet werden. Im Moment werden 19% zum Bau eines sinnlosen Satellitennavigationssystems eingesetzt, welches ein bereits exisitierendes amerikanisches System dupliziert. Würde man die Budgets von NASA, ESA und ROSKOSMOS zusammenlegen, wäre eine bemannte Mission zum Mars im Jahr 2022 absolut realistisch. Keine Vision vermag uns mehr zu inspirieren als der Weltraum, und wenn die Menschheit überleben will, müssen wir dieses Ziel mit aller Kraft verfolgen.

Harald Köpping

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Monday, 3 September 2012

A Giant Leap: Why its good to go to space


For those of you who know their Bible, you might know an important verse in Proverbs 29:18: “Where there is no vision, the people perish.” While this blog is no biblical commentary, good old King Solomon nevertheless understood an important truth about human nature; we need a vision, a prophecy, an ideology, a ‘grand narrative’ to drive our endeavours, to ignite the human genius. Every night human beings around the planet see the same sky, the same moon and the same celestial bodies. That view leaves us awe-struck, and I can only imagine what went through the minds of our distant ancestors who knew nothing of astronomy and physics. NASA’s probe ‘Curiosity’ could not have a more fitting name, because so much of our culture is the product of that uniquely human quality, without which we would find ourselves unrecognisable. However, as the French philosopher Lyotard predicted, we have allowed ourselves to be drowned in the flood of digitised, quantifiable knowledge, and rational behaviour has become equated with selfishness, perhaps the nastiest of human vices. The spirit of exploration is disappearing from our space programmes, and everything must have a so-called ‘rational’, economically driven motive to be held legitimate. Deeper questions about legitimation are disregarded, particularly those about the legitimation of the legitimators. We have been told that human suffering on earth should cause us to focus all our energies on this planet, rather than on the pursuit of science-fiction adventures in space. I want to question this assertion, and I hope to show you that to appeal to our collective conscience is misguided and possibly dangerous.

ESA probe approaching Mars
In 2009, each European from an ESA member state paid €8.64 on the space programme, while each American paid $57.54 to NASA. The current ESA budget of €4 billion is sufficient to finance dozens of missions, among them probes to Mars, Venus, and the comet 67P/Churyumov-Gerasimenko. So, with a relatively small amount of money, quite a lot is possible. A manned mission to Mars however, would require an entirely different level of financing. Robert Zubrin and David Baker’s proposal of sending four astronauts to the Red Planet (see Mars Direct) would cost around €50 billion over a period of 10 years, while more conventional estimates for such a project easily reach €500 billion. Going to space is expensive; there is no way around that. The key to preventing you from thinking that this money could better be used to tackle problems here in Earth is an understanding of why space is so expensive.

You might think that it’s the energy costs that cause the problem, but this is certainly not the case. Let’s say it costs €10,000 to place one kilogram of material into orbit (admittedly a high estimate), requiring 50 litres of kerosene, costing about €1 per litre, then this accounts for merely €50 per kilogram. What makes launch costs high are the materials needed to construct rockets, the non-reusability of rockets, and the development costs. The latter refers to both paying staff and to trying out new technologies, which for the aforementioned reasons is quite expensive. However, it is very important to understand that in the current ESA budget, robotic exploration accounts for a mere 2.7%. Human spaceflight and launchers account for 8.8% and 15.1% respectively. The vast majority of money is spent on stuff like navigation systems and earth observation. A quick glance at the NASA budget confirms that impression. Effectively, Europe spends about €500 million a year on space exploration, which, if spent on development aid, would increase Europe’s development budget by a mere 1%. The money spent on space is insignificant when compared to healthcare or education.

Earth and terraformed Mars:
humanity's future on two planets
However, I have a point to make that is even more important. Is improving the state of affairs in the world really about money? Space technology has contributed massively to decreasing human suffering (weather satellites, navigation services, earth observation, disaster management, etc.), and money itself does not build schools and hospitals. This planet is suffering not from a lack of resources. A lack of money is artificially created scarcity, caused by our blind belief and religious adherence to the monetary system. If we burnt all our money, no resource would have disappeared. My point is that it is human beings that have to build and operate schools and hospitals, and that resources on this planet are not scarce, but unevenly distributed. A budget for space exploration that is ten times higher than the one we have now would easily be achievable, for it is not the lack of resources that prohibits it, but a lack of political will and public support. As so often, we are confronted also with a need for international coordination, preventing duplication and encouraging cooperation between the space-faring countries. A merger of all space agencies into a World Space Agency would allow for the colonisation of the Moon and Mars to begin in this decade. Europe can play a particularly important role in facilitating such cooperation, because ESA is the prime example of a successful international space programme.

There are ethical problems with going to space (mostly related to environmental arguments about the contamination of other planets with earth life), but the economic argument is certainly misleading. It makes us think that money itself feeds people, which could not be further from the truth. It is, in fact, a dangerous idea, because what is really required is the equal distribution of resources. The resources used on the space programme would not benefit people who are suffering, but the political institutions that enforce ‘free trade’ such as the World Trade Organisation give industrialised countries a competitive advantage that will forever deepen the gap between rich and poor. The cure for injustice is to be sought largely at the political level (as we discuss in various posts), and not in cutting space budgets for the mere reason that they no longer secure votes.

It is inevitably the destiny of humanity to go into space. Future generations will struggle with overpopulation and resource depletion to an extent that is completely unimaginable to us at this time. Existing on one planet implies the constant threat of extinction (epidemic, nuclear war, asteroid impact are but a few scenarios). SETI has had no results so far, and as far as we know, we are alone in the universe – we are its only consciousness, and it would be irresponsible to keep the consciousness of the universe on a single planet. Mars is just next door, and the colonisation of the solar system and nearby stars is technologically very feasible. ESA’s Aurora programme is an ambitious but underfunded project, intended to bring humans to Mars by 2035, and to begin colonisation in the 2040s. At least 25% of the ESA budget should be devoted to this end. At the moment, 19% are spent on building an unnecessary satellite navigation system that duplicates the already existing GPS. Combining the budgets of NASA, ESA, and ROSKOSMOS would make a manned mission to Mars feasible by 2022. No vision has a stronger appeal than space, and if humanity is to flourish we need to pursue this vision.

Harald Köpping


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