Saturday, 22 September 2012

Mondragón: Es geht auch anders


Alternativlosigkeit. Dies ist der Tenor, der derzeit im politischen Alltag Europas den Ton angibt. Letzte Woche habe ich im Guardian eine Meldung gelesen, die mir zu Denken gab. Ed Miliband, der Vorsitzende der britischen Labour-Partei, sagte der Kapitalismus sei "das am wenigsten schlechte System das wir haben". Das Ziel seiner Partei sei nicht die Abschaffung des Kapitalismus, sondern die Zähmung seiner Kreativität hin zu einem "anständigen" und "humanen Kapitalismus". Im Gegensatz zur Zeit des kalten Krieges, wird heute der Finanzkapitalismus kaum mehr in Frage gestellt, selbst von Parteien von denen man dies eigentlich erwarten müsste.


Sitz der Mondragón Corporation im Baskenland
Dennoch gibt es Alternativen, wenn auch nicht in staatlich organisierter Form. Science-Fiction Autor Kim Stanley Robinson beschreibt in seiner Mars-Triologie die Kolonisierung und die Veränderung des roten Planeten hin zu einer zweiten Erde. Es schildert auf sehr realistische und nachvollziehbare Weise, wie eine neue Gesellschaft sich außerhalb der Erde entwickeln könnte, befreit von tief verwurzelten, archaischen Wertesystemen und Dogmen. Robinsons Bücher stammen zwar aus den 1990er Jahren, aber fast prophetisch erkannte er schon damals das enorme Potential von Genossenschaften, insbesondere das der Mondragón Corporation in Spanien. Mondragón bildet die größte Genossenschaft der Welt, und gehört zu den zehn größten spanischen Unternehmen. Dieser Post soll eine Alternative zum kapitalistischen System vorzeigen, die auch ohne Paradigmenwechsel oder Revolution implementiert werden kann, und das sogar äußerst erfolgreich.

Die Mondragón Corporation wurde in den 1950er Jahren von einem katholischen Priester namens José Maria Arizmendiarrieta im Angesicht spanischer Massenarbeitslosigkeit gegründet, und besaß 2011 insgesamt 83.560 Mitarbeiter. Mondragón hat über 100 Tochterunternehmen, und produziert unter Anderem Kühlschränke, Rolltreppen, oder auch Werkzeug- und Maschinenteile. Auch Eroski, eine der größten spanischen Supermarktketten, gehört zu Mondragón. Als neuer Mitarbeiter kann man sich nach einer Probezeit von sechs Monaten für €12.000 Genossenschaftsanteile kaufen, die dann einerseits als Investionskapital und für Innovation verwendet werden, und andererseits für gemeinnützige Zwecke; im Gegenzug wird man zu einem integralen Bestandteil des Unternehmens. Die Unternehmensführung wird durch eine jährliche Generalversammlung durch alle Mitarbeiter gewählt, und die Geschäftstruktur Mondragóns ist durch und durch demokratisch - auf allen Ebenen entscheiden die Mitarbeiter über die Unternehmensstrategie. Jeder Arbeiter fühlt sich für das Unternehmen verantwortlich, wie dies sonst nur in Managerkreisen üblich ist. Auch in weiterer Hinsicht ist Mondragón revolutionär: die Unternehmensführung darf maximal das 8-fache des Mindestgehalts eines einfachen Mitarbeiters verdienen. Kaum jemand verdient allerdings das Mindestgehalt, weshalb dieser Abstand in der Realität weitaus geringer ist. Man bedenke, dass es sich um ein Unternehmen mit €15 Milliarden Jahresumsatz handelt. Josef Ackermann verdiente seinerzeit das 400-fache eines einfachen Angestellten, und in den meißten Unternehmen dieser Größenordnung sind ähnliche Bedingungen keine Seltenheit. Die Stadt Mondragón hat eine Arbeitslosigkeit von nur 8%, bei einer landesweiten Arbeitslosigkeit von über 25%. Trotz Krise hat Mondragón keine Stellen abgebaut; wegen seiner vielen Tochterunternehmen wurden Mitarbeiter einfach nach Bedarf zugeteilt. Mondragóns Modell scheint zu funktionieren. Zwischen 1990 und 2011 hat sich die Anzahl der dort Beschäftigten vervierfacht.

Mondragón kann uns in vielerlei Hinsicht als Vorbild dienen. Zum einen zeigt es die Vorteile eines koordinierten Arbeitsmarktes, der dazu führen könnte, dass Kündigungen unnötig werden. Dadurch, dass die Mitarbeiter selbst das Unternehmen leiten, ist die Motivation dementsprechend höher. Außerdem ist eine demokratische Unternehmensstruktur einfach gerechter! Gramsci schreibt, dass eine hegemonische Struktur nur durch eine Gegenhegemonie zu Fall zu bringen ist. Die Umformung von rein profitorientierten Unternehmen zu Genossenschaften könnte die Substanz einer solchen Gegenhegemonie bilden.

Heute beende ich den Post mit einem Zitat vom besagten Kim Stanley Robison aus seinem Roman Blauer Mars (meine Übersetzung): "Das System, das kapitalistische Demokratie genannt wird, ist im Grunde nicht demokratisch. [...] Wir müssen uns verändern. Es ist Zeit. Wenn die Selbstbestimmung ein fundamentaler Wert ist, wenn einfache Gerechtigkeit ein Wert ist, dann sind sie überall wertvoll, auch am Arbeitsplatz, wo wir so viel unserer Lebenszeit verbringen." So viel dazu,

Harald Köpping


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