Wenn ihr die
Bibel lest, kennt ihr vielleicht einen Vers aus dem Buch der Sprüche (29, 18):
„Wo keine Vision ist, wird das Volk untergehen.“ Dieser Blog soll kein
Bibelkommentar sein, aber ich muss doch zugeben, dass der gute König Salomon
eine wichtige Wahrheit über den Menschen verstanden hat: wir brauchen eine
Vision, eine Offenbarung, ein métarécit,
um uns voranzutreiben, um das menschliche Genie zu entzünden. Jede Nacht
blicken Menschen aus aller Welt in den gleichen Himmel, sehen den gleichen Mond
und die gleichen Himmelskörper. Der Blick nimmt uns manchmal fast den Atem, und
ich kann mir kaum vorstellen, was wohl durch die Köpfe unserer fernen Vorfahren
ging, als sie allnächtlich dieses Spektakel zu sehen bekamen. Die NASA-Sonde
‚Curiosity‘ (zu Deutsch, ‚Neugier‘), könnte keinen passenderen Namen haben,
denn so viel in unserer Kultur haben wir dieser einzigartigen Eigenschaft zu
verdanken, ohne jene wir uns wohl kaum wiedererkennen würden. Wie der
französische Philosoph Lyotard jedoch vorhergesagt hat, sind wir inzwischen von
einer Flut digitaler, quantifizierter Informationen bedroht, und rationales
Verhalten ist oft gleichgesetzt mit Egoismus, vielleicht das dunkelste
menschliche Laster. Der Entdeckergeist geht immer mehr auch aus unseren
Raumfahrtprogrammen verloren, und alles muss eine ‚rationale‘, wirtschaftlich
motivierte Begründung haben, um legitim zu werden. Tiefere Fragen über die
Legitimierung werden nicht gestellt. Uns wurde erzählt, dass das menschliche
Leid auf der Erde uns dazu anregen sollte, all unsere Kraft hier auf der Erde
einzusetzen, anstatt sie für Science-Fiction-Abenteuer im Weltraum zu
verschwenden. Ich möchte diese Annahme in Frage stellen, und hoffe euch zeigen
zu können, das dieser Appell an unser gemeinschaftliches Gewissen nicht nur
fehlgeleitet, sondern auch gefährlich ist.
ExoMars (2014) schwenkt ein in den Marsorbit |
Im Jahr 2009
bezahlte jeder Europäer aus einem ESA-Mitgliedsstaat €8,64 für das
Raumfahrtprogramm, während jeder Amerikaner immerhin $57,54 der NASA zur
Verfügung stellte.Das derzeitige ESA-Budget von ungefähr €4 Milliarden reicht
allerdings aus, um Sonden zum Mars, zur Venus, und zum Kometen
67P/Churyumov-Gerasimenko zu schicken; mit relativ wenig Mitteln ist also schon
relativ viel möglich. Für eine bemannte Mission zum Mars allerdings, bräuchte
man eine ganz andere Dimension der Finanzierung. Robert Zubrin und David Bakers
Vorschlag für die Entsendung von vier Astronauten zum roten Planeten (siehe
Mars Direct) würde mindestens €50 Milliarden verschlingen, verteilt über ein
Jahrzehnt. Konservative Schätzungen gehen sogar von €500 Milliarden aus (naja,
eigentlich sind wir ja solche Zahlen längst gewöhnt...). Der Weltraum ist
teuer, da kommt man nicht drumherum. Um allerdings zu verstehen, warum das
Problem kleiner ist als es aussieht, muss man sehen wie diese Kosten eigentlich
entstehen.
Man könnte
denken, dass die hohen Energiekosten die Preise in die höhe treiben, aber dem
ist nicht so. Nehmen wir also an, es kostet €10.000 um ein Kilogramm Ballast in
die Erdumlaufbahn zu befördern, was wiederum 50 Liter Kerosin benötigt, dann
kommt man so nur auf €50 pro Kilo. Was also einen Start teuer macht, sind die
Materialkosten für Raketen, deren eingeschränkte oder nicht vorhandene
Wiederverwendbarkeit, und die hohen Entwicklungskosten, also die
Mitarbeitergehälter und die Technologieentwicklung, welche aus genannten
Gründen doch recht kostspielig ist. Jedoch muss man wissen, dass nur 2,7% des
aktuellen ESA-Budgets für die unbemannte Erforschung des Sonnensystems
ausgegeben werden. 8,8% und 15,1% werden jeweils der bemannten Raumfahrt und
der Raketenentwicklung gewidmet. Der Großteil des Geldes gilt Dingen wie
Navigationssystemen und Erdbeobachtungssatelliten. Ein Blick auf das
NASA-Budget bestätigt diesen Eindruck. Im Grunde gibt Europa also nur €500
Millionen im Jahr für die Erforschung des Weltalls aus, welche unser
Entwicklungshilfebudget nicht mal um 1% ansteigen ließe. Verglichen mit
Bildungs- und Gesundheitsausgaben besitzt dieses Geld kaum Relevanz.
Der Mars könnte zur zweiten Erde werden |
Ich muss
dennoch etwas noch Wichtigeres sagen. Geht es bei der Verbesserung der
Lebensverhältnisse auf der Erde wirklich um Geld? Weltraumtechnologien haben
immens dazu beigetragen menschliches Leid zu verringern (in Form von
Wettersatelliten, Navigationsdiensten, Erdbeobachtung, Katastophenmanagement,
etc.), und Geld selbst baut keine Schulen und Krankenhäuser. Unser Planet
leidet nicht an Ressourcenknappheit, sondern an einem Verteilungsproblem.
Geldmangel ist eine künstlich erzeugte Knappheit, erzeugt durch unseren
blinden, schon fast religiös anmutenden Glauben an das monetäre System. Es ist
jedoch so, dass wir theoretisch all unser Geld verbrennen könnten, ohne, dass
es der Welt dadurch besser oder schlechter ginge. Schließlich sind es Menschen
die Schulen und Krankenhäuser bauen und verwalten müssen! Ein Budget für die
Erforschung des Weltraums das ein Zehnfaches höher ist als das Jetzige wäre
mühelos zu erreichen, und nicht ein Mangel an Ressources verhindert dies,
sondern mangelnde öffentlich Unterstützung. Wie so oft benötigen wir
internationale Koordination, um Duplikation zu verhindern und um Kooperation zu
stärken. Eine Fusion aller Raumfahrtbehörden zu einer Weltraumfahrtagentur
würde uns die Möglichkeit bieten mit der Besiedlung des Mondes und des Mars
noch in diesem Jahrzehnt zu beginnen. Europa könnte dabei eine besonders
wichtige Rolle spielen, da es schon über viele Jahre Erfahrungen auf dem Gebiet
der internationalen Zusammenarbeit gesammelt hat.
Es sind
durchaus ethische Probleme mit der Erforschung des Weltalls verbunden (diese
sind meißt an ökologische Bedenken geknüpft, die bei der Kontamination fremder
Planeten mit irdischem Leben eine Rolle spielen), doch das Argument, dass der
Weltraum nicht wirtschaftlich ist, führt in die Irre. Es verleitet uns zu dem
Gedanken, dass Geld selbst Menschen ernähren kann, welcher von der Wahrheit nicht
weiter entfernt sein könnte. Dieser Gedanke ist gefährlich, denn was wir
wirklich brauchen ist eine gerechte Ressourcenverteilung. Die Ressourcen, die
für das Weltraumprogramm verwendet werden, würden den Hunger nicht beseitigen,
doch politische Institutionen wie die WHO geben den industrialisierten Ländern
einen Wettbewerbsvorteil, der die Kluft zwischen Armen und Reichen immer
breiter werden lässt. Ungerechtigkeit
muss zunächst auf dem politischen Level bekämpft werden (worüber wir ja in
vielen Posts berichtet haben), und nicht mit Einschnitten im Weltraumbudget die
Wählerstimmen bringen sollen.
Die Zukunft
der Menschheit liegt unausweichlich im Weltraum. Zukünftige Generationen werden
mit von uns ungeahnten Ausmaßen von Überbevölkerung und Rohstoffknappheit zu
kämpfen haben, und die Existenz der Menschheit auf nur einem Planetan birgt ein
ständiges Risiko der Vernichtung (sei es durch eine Seuche, einen Atomkrieg
oder einen Asteroideneinschlag, um nur ein paar Szenarien zu nennen). Das
SETI-Programm hat bisher nur wenige Resulate geliefert, und nach jetzigem
Kenntnisstand sind wir im Universum allein – wir sind sein einziges
Bewusstsein, und es wäre unverantwortlich das Bewusstsein des Universums auf
einem einzigen Planeten zu lassen. Der Mars ist gleich nebenan, und die
Kolonisierung des Sonnensystems ist bereits mit heute verfügbaren Technologien
machbar. Das ESA-Programm Aurora ist ein ehrgeiziges aber unterfinanziertes
Projekt, das bis zum Jahr 2035 Menschen auf den Mars bringen soll, und das dessen
Besiedlung in den 2040er Jahren einleitet. Mindestens 25% des ESA-Budgets
sollte zu diesem Zweck verwendet werden. Im Moment werden 19% zum Bau eines
sinnlosen Satellitennavigationssystems eingesetzt, welches ein bereits
exisitierendes amerikanisches System dupliziert. Würde man die Budgets von
NASA, ESA und ROSKOSMOS zusammenlegen, wäre eine bemannte Mission zum Mars im
Jahr 2022 absolut realistisch. Keine Vision vermag uns mehr zu inspirieren als
der Weltraum, und wenn die Menschheit überleben will, müssen wir dieses Ziel
mit aller Kraft verfolgen.
Harald Köpping
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