Saturday 6 October 2012

Steinbrück: die richtige Wahl für Europa?


Peer Steinbrück wurde letzte Woche zum Kanzlerkandidaten der SPD erklärt. Der ehemalige Bundesfinanzminister soll also Merkel ablösen, gemeinsam mit den Grünen eine Regierung bilden, Europa führen, die Eurokrise beenden, den Banken Ketten anlegen und das Image Deutschlands in Europa korrigieren. Der hat er ja einiges vor sich, denn es geht hier nicht um eine Steuerreform, wo ein Abnicken des Parlaments alles ins Rollen bringt, sondern um ein wenigstens innerhalb der Eurozone koordiniertes Projekt. Führungsstärke bedeutet in diesem Zusammenhang vor allem Verhandlungsgeschick. Glücklicherweise sitzt mit Hollande in Frankreich ein französischer Präsident im Elysée-Palast, und die geteilten ideologischen Ansichten könnten die deutsch-französische Maschine wieder anwerfen. Viele Dinge spielen Steinbrück zur Zeit in die Hände,und weil ich mich auch schon persönlich mit ihm unterhalten habe, will ich meine Meinung kund tun zur Nominierung des Hamburgers. Ein Klischee über die Deutschen wird er schonmal voll bestätigen, denn ziemlich steif wirkt er, und selbst bei seinen Witzen vermag er es nicht die Mundwinkel ein wenig zum Lächeln zu bringen.

Ein bisschen grimmig guckt er oft:
Peer Steinbrück
Steinbrück ist ein Pragmatiker und kein passionierter Charismatiker. Von Ideologien hält er wenig. Einmal hörte ich ihn bei einer Veranstaltung  des sächsischen Landtages zur Politikverdrossenheit sprechen. Es sagte, die Menschen interessieren sich vor allem deshalb nicht mehr für Politik, weil es ihnen verhältnismäßig gut geht. Natürlich kamen daneben auch Themen auf wie die Komplexität der politischen Themen der letzten Jahre, oder das Unvermögen der Politiker Inhalte verständlich zu transportieren. Steinbrück selbst kann vor einem Akademikerpublikum außerordentlich gut sprechen, aber wenn es darum geht alltägliche Sprache zu verwenden um Sachverhalte zu erklären, tut er sich schwer. Steinbrück sagt oft man unterschätzt die Bürger, aber ein allzu akademischer Diskurs wirkt arrogant und weltfremd. Man merkt an der Art wie er redet mit welchen Menschen er sich umgibt. Etwas abgucken kann er sich da bei Hannelore Kraft, deren Nähe zu Bürgern und Partei man bereits aus zwei Sätzen ablesen kann. Ich fragte Steinbrück dann, ob nicht vielleicht die Entideologiesierung der Parteien etwas mit der Politikverdrossenheit zu tun hat. Er sagte, mit Ideologien gewinne man keine Wahlen. Das stimmt vielleicht, aber bei Themen wie Stuttgart 21 merkt man wie sehr eine politische Polarisierung Bürger motivieren kann, sich politisch zu engagieren. Steinbrück sagt, die SPD muss „unterscheidbar“ sein, doch wie  soll das gehen wenn sie sich nicht mehr über eine Ideologie definiert, über eine Vision? Vielleicht hat die Vision des Sozialismus historisch bedingt in Deutschland ausgedient, aber es gibt durchaus Modelle, die visionären Character haben, wie die Mondragón-Genossenschaft in Spanien. Daran könnte sich die SPD durchaus orientieren, ohne mit Sozialismusgerede auf den falschen Zahn zu treffen. Außerdem ist Europa selbst doch eine Vision, begründet auf der Vorstellung des ewigen europäischen Friedens. Die SPD wird sich im Wahlkampf zur Europapartei profilieren müssen.

Hasenzähne und modische Brille:
Steinbrück im Jahr 1990
Steinbrück will EU-Parlamentswahlen mit Spitzenkandidaten für den Posten des Kommissionspräsidenten, aufgestellt durch die Fraktionen des europäischen Parlaments. Er will die Kommission zu einer europäischen Regierung umbauen, und die Institutionen auf diesem Weg durch und durch demokratisieren. Es will dazu das Grundgesetz ändern, beruhend auch einem Volksentscheid. Umfragen tendieren zwar im Moment deutlich gegen einen solchen Schritt, aber mit überparteilicher Unterstützung wäre das vorstellbar. Doch die Schaffung eines europäischen Bundesstaates die daraus effektiv resultiert, geht nicht ohne Feuer und Flamme für Europa, und ich bin mir nicht sicher ob Steinbrück es schaffen kann, die Bürger Deutschlands und Europas für Europa zu begeistern.

Steinbrücks Pragmatismus hat aber auch Vorteile. Im Gegensatz zu den neoliberal durchtünchten Gestalten der Merkelregierung, hat für Steinbrück die Regulierung der Banken absolute Priorität. Er will die Banken in einen Investmentbereich und einen Kreditbereich aufspalten, was dazu führt, dass das Risiko bei Finanzspekulationen nicht mit normalen Sparern geteilt wird. Er will die Finanztransaktionssteuer, und das schon seit Jahren. Er will einen europäischen Bankenfond, der im Falle eine Pleite statt unseren Steuergeldern zum Einsatz kommt, und der von den Banken selbst finanziert wird. Rückenwind bekam er diese Woche von der europäischen Kommission, die zumindest die ersten zwei Schritte ebenfalls befürwortet. Originell sind seine Ideen also nicht, und das hat er auch nie behauptet. Trotzdem sind die sinnvoll und notwendig. Die Erkenntnis, das bestimmte Schritte die linke Politikwissenschaftler schon vor Jahrzehnten vorgeschlagen haben einfach notwendig sind, muss man ihm anrechnen.

Alles in allem halte ich Steinbrück für eine gute Wahl. Die Sache mit den Vortragshonoraren ist recht unproblematisch – das Gehalt eines Bundestagsabgeordneten (rund €10.000 im Monat) ist zwar hoch aber nicht unangemessen. Ich kann mir gut vorstellen dass er der Deutschen Bank sogar die Leviten gelesen hat, und wenn er dafür von den Gaunern bezahlt wird - warum nicht? Für seine Vorträge bei öffentlichen Institutionen hat er kein Geld verlangt.

Also: wenn kein Skandal dazwischen kommt, werde ich Steinbrück unterstützen. Er ist der beste Kandidat der SPD, und ein guter Kandidat für Europa. Was ihm noch fehlt ist sind Feuer und Flamme, aber vielleicht kommt das noch.

Harald Köpping

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