Die Zukunft der Menschheit
liegt im Weltraum. Welche bessere Möglichkeit gibt es, das Überleben der
Menschheit auf lange Sicht zu sichern, als die Besiedlung des Mars? Wenige
Dinge haben es vermocht, Menschen so sehr zu inspirieren, wie Juri Gagarins erster
Orbitalflug um die Erde, oder Neill Armstrongs erste Schritte auf dem Mond.
Kein Staat erhebt bis heute Besitzansprüche im All – es bleibt heiliges
Terrain, wo keine Waffen stationiert werden dürfen, und wo nur friedliche
Aktivitäten stattfinden sollen. Die Erforschung des Weltraums ist eines der
höchsten Ziele der Menschheit, und die menschliche Besiedlung einer anderen
Welt bleibt eine unserer gewaltigsten Visionen.
Im Zeitalter des Kapitals,
ist dieses erfurchterweckende Unternehmen dem finanziellen Größenwahn des
Kapitalismus zum Opfer gefallen, und auch die EU hat dabei eine Rolle gespielt.
Die Weltraumpolitik war
einer der ersten Bereiche, von dem zumindest Westeuropa von Anfang an übereinstimmend
der Überzeugung war, dass er nur gemeinsam erfolgreich betrieben werden kann.
Besonders nach dem zweiten Weltkrieg, war kein europäischer Staat stark genug,
allein ein Raumfahrtprogramm aufbauen zu können, und nach einem erwas holprigen
Start, wurde 1975 die Europäische Raumfahrtagentur ESA gegründet. Die Konvention der ESA stellt eindeutig klar, dass der Weltraum „nur zu friedlichen Zwecken“ genutzt
werden darf, was bis Ende der 1990er Jahre mehr oder weniger auch der Fall war.
Giotto war die erste erfolgreiche Mission zu einem Kometen, Huygens landete
zuerst auf dem Saturnmond Titan, europäische Sonden befinden sich im Moment in
Umlaufbahnen um Venus und Mars, und Rosetta wird hoffentlich bald das erste von
menschenhand gebaute Objekt sein, dass auf einem Kometen landet.
In den letzten Jahren
allerdings, und besonders seit die EU begonnen hat sich in die europäische
Raumfahrtpolitik einzumischen, wurden wiederholt Projekte in den Mittelpunkt
gerückt, deren Ziel nicht die
Erforschung des Weltraums ist. Es war die europäische Kommission die den Bau
eines eigenen europäischen Satellitennavigationssystems vorangetrieben hat; es
heißt nun Galileo, und kostet €4 Milliarden. GMES (zu deutsch: Globale Überwachung
für Umwelt und Sicherheit), das zweite Aushängeschild der EU im Weltraum,
kostet ungefähr €2.7 Milliarden, und wird Europa mit einer unabhängigen Erdüberwachungskapazität
ausrüsten. Beide Projekte werden von der EU finanziert, aber von der ESA
umgesetzt, und beide Projekte sind auch militärisch nutzbar: Galileos
Hochpräzisionssignal wird hauptsächlich von militärischen Kunden angefordert,
und GMESs Erdbeobachtungskapazität kann auch zu Spionagezwecken verwendet
werden. Die ESA hat sich von ihrem ausschließlich friedlichen Mandet
verabschiedet, und arbeitet nun aktiv an sogenannten „Projekten mit doppeltem
Verwendungszweck,“ die sowohl zivil als auch militärisch nutzbar sind.
Gleichzeitig verlieren ESAs ambitionierte Forschungsprojekte an Bedeutung; das Ziel
des Auroraprogramms, bis 2030 Europäer zum Mars zu schicken, ist in weite Ferne
gerückt. Selbst im All, mussten unsere menschlichsten Eigenschaften – nämlich
die Neugier und der Forscherdrang – einem Warenfetisch weichen.
Auch unser
Raumfahrtprogramm muss Wachstum und Profit generieren (das ist natürlich die
offizielle Rechtfertigung für Galileo und GMES ist), was widerrum
unterstreicht, dass das kapitalistische System technologischen Fortschritt
unterdrückt. Um Kosmonauten zu internationalen Raumstation ISS zu bringen,
verwenden wir das russische Sojus-System, das bereits in den 60er Jahren
entwickelt wurde! Technologische Entwicklungen werden dem Profit zuliebe mit
Absicht zurückgehalten, weswegen mit Wasserstoff betriebene Autos immernoch in
die Schublade ‚Science-Fiction‘ gehören, und weswegen unser Raumfahrtprogramm
sich technologisch seit den 70ern kaum entwickelt hat. Im anscheinend
kollektiven Bewusstsein neoliberaler Wirtschaftswissenschaftler, ist es
rational Technologien nur soweit zu entwickeln, dass man gegenüber seiner
Konkurrenz einen geringen Vorteil besitzt. Wir sollten im Weltraum sein, und
wir sollten alle Elektroautos fahren, aber die neoklassischen ökonomischen
Prinzipien an denen wir religiös festhalten verhindern wirkliche technologische
Fortschritte, die so sehr gebraucht werden um eine nachhaltige Zukunft der
Menschen auf der Erde zu sichern.
Ich weiß, dass viele von
euch jetzt denken werden, „Naja, wieso sollten wir eigentlich überhaupt Geld
ins All schmeißen, wenn Menschen verhungern!“ Menschliches Leid auf der Erde
hat sowohl alles als auch nichts mit Geld zu tun. Wasser und Weizen sind Waren
wie alle anderen, und während Börsenhändler in Europa und Nordamerika die
Sektkorken knallen lassen wenn die Lebensmittelpreise steigen, muss der
Großteil der Menschheit den Preis dafür zahlen. Geld ist kein Nahrungsmittel,
und Geld allein baut keine Schulen und Krankenhäuser – Menschen machen das.
Wenn Entwicklungshilfe heißt armen Menschen Geld zu geben, damit sie dann
unsere Produkte kaufen können, ist es an der Zeit seine Entwicklungspolitik zu
überdenken, aber diesem Thema muss man sich separat widmen.
Was fest steht, ist dass
wir es nicht hinnehmen können, dass der Kapitalismus unsere heiligsten Träume
und Ambitionen neben seinen anderen Opfern begräbt. Europa muss seine
Weltraumpolitik in Richtung Forschung umorientieren, sowohl um die
Menschlichkeit in die Politik zurückzubringen, als auch um die Zukunft der
Menschen auf lange Sicht zu sichern.
Harald Köpping
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