Friday, 20 July 2012

Das konnte ja keiner ahnen! – Mythen der Krise Teil I: Die Welt wurde von der Krise überrascht


Sinn und Zweck dieser Postreihe ist es, einige der Mythen zu entlarven, mit denen wir von Medien und Regierungen gefüttert wurden. Der erste Mythos ist die Idee, dass die Krise unerwartet kam und die Welt überrascht hat. Wir unterscheiden hier nicht zwischen Euro- und Finanzkrise, die, wie wir im nächsten Post erklären werden, ein und dasselbe sind. Der Überraschunsmythos dient dem Zweck, jegliche jegliche Verantwortung von Politikern und Bänkern wezuschieben – niemand trägt wirklich Schuld, die Krise passierte eben, einfach so, und niemand hätte sie vorraussagen können. Ja, klar.

Bevor wir uns den spezifischen Gegebenheiten der momentaten Krise zuwenden, müssen wir uns zunächst mit der Sache beschäftigen, die die Krise ausgelöst hat: dem Geld. Krisen dieser Art sind im kapitalistischen, monetären System endemisch und unausweichlich. Geld wird von Zentralbanken geschaffen, welche in unserem Fall die EZB ist. Staaten gehen also zur Zentralbank und geben ihr ein Stück Papier das Staatsanleihe genannt wird. Wenn ein Staat, sagen wir mal €1 Milliarde haben will, muss er im Gegenzug der Zentralbank Staatsanleihen im Wert von €1 Milliarde geben. Der Staat hinterlegt danach die Milliarde bei einer privaten Bank, wodurch das Geld für die Öffentlichkeit zugänglich wird. Wenn ein Staat von der Zentralbank für Staatsanleihen Geld erhält, verspricht dieser Staat gleichzeitig dieses Geld zurückzuzahlen – mit anderen Worten, alles Geld sind Schulden. Die Staaten müssen aber das Geld nicht nur zurückbezahlen, sondern zusätzlich noch Zinsen zahlen – deshalb ist die existierende Geldmenge immer kleiner als die Schulden die zurückgezahlt werden müssen. Die Staaten müssen deshalb bei der Zentralbank stehts neue Schulden machen um ihre Zinszahlungen zu bedienen, was die bestehende Geldmenge ständig erhöht. Dies wird gemeinhin als Inflation bezeichnet: die Erhöhung der Geldmenge führt zu einer Geldentwertung. Alles in allem ist also die bestehende Geldmenge immer kleiner als der Schuldenstand, und durch die Zinsesdynamik entsteht auf diesem Weg sowohl eine exponentielle Erhöhung der Geldmenge als auch der Schulden. Pleiten sind somit unvermeidbar. Bei der Finanzkrise ging es um ‚toxische‘ Kredite die von einer Bank zur Nächsten verkauft wurde, was zu einem systemischen Problem geführt hat – als die Hausbesitzer ihre Kredite nicht mehr bedienen konnten, gingen einige Banken pleite, während Anderen durch nationale Hilfsprojekte geholfen wurde. In der Eurokrise können ganze Staaten ihre Kredite nicht mehr bedienen, was potentiell zu der gleichen Entwicklung führt. Dies alles ist wohlbekannt, und wurde von einer ganzen Reihe von Wirtschaftswissenschaftlern vorhergesagt (z.B. Bernd Senf, Heiner Flassbeck, die Dokumentation Maxed Out, oder auch Andere wie Dean Baker, Fred Harrison, Kurt Richebächer... Die Liste ist sehr lang).

Eurozone: Absoluter Schuldenstand in Millionen Euro

Neulich stieß ich auf einen Artikel von Gernot Köhler mit dem Titel ‚Globaler Keynesianismus und darüber hinaus' aus dem Jahr 1999. In dem Artikel gibt es einen Abschnitt zum Thema der Kontrolle des globalen Finanzkapitals, wo Köhler die Einführung „des viel diskutierten Vorschlags“ einer „Steuer auf internationale Kapitaltransaktionen“ fordert. Genau dieser Vorschlag wird zur Zeit diskutiert, aber es ist nicht zu verleugnen dass ein unkontrolliertes Bankensystem extrem gefährlich ist. Umso tragischer ist, dass dieses System zehntausenden Südeuropäern Arbeitslosigkeit und Armut gebracht hat.

Das Geldsystem ist die systemische Wurzel der Krise, und die Einführung einer Finanztransaktionssteuer ist ein wichtiger Schritt hin zur Kontrolle der ‚Finanzindustrie‘. Jeder wusste, dass unser System Krisen unausweichlich macht, und deswegen ist die Idee dass die Krise überraschend kam ein Mythos.

Harald Köpping

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