Heute früh fand man unweit der italienischen Küste ein kleines Gummiboot mit einem einzigen verzweifelten Eriteer an Bord.
Ursprünglich trug das Boot 55 Menschen, doch 54 überlebten die zweiwöchige
Reise übers Mittelmeer nicht.
In meiner Heimatstadt Leipzig wurde in den letzten Wochen heftigst über die
Umsiedlung von 300 Asylbewerbern diskutiert – die Anwohner des neuen Standortes
würden sich durch die Präsenz der Asylsuchenden in ihrer Lebensqualität eingeschränkt
fühlen. Hier hat jemand nicht verstanden, dass es sich bei Flüchtlingen nicht
um ‚Sozialschmarotzer‘ handelt, sondern um Menschen in Not, die keinen Anderen
Ausweg gesehen haben als ihr Land zu verlassen. Ganz nebenbei hat jeder Mensch
laut Genfer Flüchtlingskonvention ein Recht auf Asyl, und ironischerweise sind
diejenigen, die sich über Asylbewerber beschweren, oft die Gleichen, die dann
sagen, dass andere Religionen die Menschenrechte missachten.
Ein faires Asylsystem löst zwar das Problem der
flächendeckenden Stigmatisierung von Asylbewerbern vorerst nicht, aber es trüge
dazu bei, Flüchtlingen ein würdevolles Leben in Europa zu ermöglichen. Leider
ist es im Moment unrealistisch über eine allgemeine Öffnung der Grenzen zu
diskutieren, was meiner Meinung nach die Ideallösung wäre. Weiterhin würde ich
für die Abschaffung der Staatbürgerschaft plädieren, aber auch das ist
wahrscheinlich nicht umsetzbar. Deswegen habe ich fünf Vorschläge*: die
Einführung eines europäischen Lastenverteilungssystems; die Gründung einer
europäischen Asylbehörde; Sanktionen bei Nichteinhaltung von Mindeststandards
in Asylbewerberheimen; die Erteilung einer Arbeitserlaubnis und ein generelles
Verbot Flüchlinge nach ihrer Ankunft in Europa zu inhaftieren.
Ein Grundproblem im europäischen Asylsystem ist die
sogenannte Dublin-II-Verordnung, welche besagt, dass jener Mitgliedsstaat für
ein Asylverfahren zuständig ist, in dem ein Flüchtling zuerst EU-Territorium
betritt. Dies führt zu einer unproportionalen Verteilung von Asylbewerbern
entlang der EU-Außengrenzen. Diese Verordnung sollte durch eine Bessere ersetzt
werden, die Asylbewerber nach eine Reihe von Kriterien unter den
Mitgliedsstaaten verteilt. Das dies funktionieren kann, zeigt der deutsche
Fall, wo so ein System bereits seit Jahren zwischen den Bundesländern besteht. Unter
diesen Kriterien sollten sein das Bruttosozialprodukt pro Einwohner, die
Kapazität Asylbewerber unterzubringen und die gegenwärtige wirtschaftliche
Situation (z.B. gemessen am BSP-Wachstum). Dies würde Länder wie Malta, Zypern
oder Griechenland ungemein entlasten, und sollte Europa bei 300.000 jährlichen
Asylerstanträgen vor keine großen Herausforderungen stellen (es handelt sich um
0.06% der EU-Bevölkerung). Die Wünsche der Asylbewerber sollten hierbei soweit
wie möglich in Betracht gezogen werden, die viele in einigen Mitgliedsstaaten
bereits Familie oder kulturelle Bindungen haben.
Ein weiteres Problem mit dem Europa im Moment kämpf, sind
die unterschiedlichen Erfolgsquoten in den 27 Mitgliedsstaaten. Während es in
Griechenland unmöglich ist, erfolgreich einen Asylantrag zu stellen, gibt es
etwa in Schweden eine Erfolgsquote von circa 30%. Offensichtlich arbeiten die
Einwanderungsbehörden der Mitgliedstaaten grundlegend verschieden, weshalb man
deren Arbeit zentralisieren sollte. Ein europäische Asylbehörde könnte sich um
jeden Asylantrag kümmern, und dadurch gleiche Chancen für alle garantieren,
unabhängig von den gegenwärtigen politischen Gegebenheiten. Diese Behörde
könnte gleichzeitig den Lastenverteilungsmechanismus verwalten.
Die Aufnahmebedingungen von Flüchtlingen in den 27
Mitgliedsstaaten reichen von akzeptabel bis katastrophal. Bei Ankunft in
Griechenland erwartet einen die sichere Obdachlosigkeit, während Schweden oder
auch Deutschland die Unterbringung in einigermaßen vernünftigen Lagern
ermöglicht. Nach kurzer Zeit erfolgt zum Beispiel in Deutschland selbst bei
laufendem Asylverfahren die Übersiedlung in eine der Familiengröße
entsprechende Wohnung. Es müssen diesbezüglich europaweit Mindeststandards
gesetzt werden. Damit dies umgesetzt werden kann, sollte ein Asylfond
eingerichtet werden, der Projekte in Mitgliedsstaaten subventioniert, die einer
besseren Lebensqualität von Asylbewerbern dienlich sind. Wird dennoch gegen die
gesetzten Mindeststandard verstoßen, sollten scharfe Sanktionen folgen (nicht
wie bei den Strafverfahren gegen Belgien und Griechenland, die dann ein paar
tausend Euro bezahlt haben).
Schwarzarbeit ist bei Asylbewerbern in Europa oft der
einzige Weg um sich das Leben zu finanzieren. Dies wird von den
Mitgliedsstaaten toleriert, und teilweise noch gefördert, da die legale Arbeit
zum Beispiel in Deutschland nur möglich ist, nachdem einem Asylantrag
zugestimmt wurde, was oft viele Jahre dauert. Die legale Arbeit muss sofort
nach dem Einreichen des Asylantrages möglich sein, um dem Abfall in die
Kriminalität vorzubeugen, und im Flüchtlingen eine akzeptable Lebensqualität zu
ermöglichen.
Zu guter letzt muss ein generelles Verbot einführt
werden, Asylbewerber nach ihrer Ankunft festzunehmen. Es ist absurd einen
Menschen wegen der Einreise in die EU für anderthalb Jahre wegzusperren.
Ich denke dass die Umsetzung dieser Vorschläge die
Situation von Flüchtlingen in Europa erheblich verbessern würde. Natürlich wird
dadurch weder die Situation in den Herkunftsländern verbessert, es fallen
dadurch keine Mauern, und es wird nicht leichter Europa zu erreichen. Ich
wünschte es wäre möglich, dass Frontex Flüchtlingen dabei helfen würde nach
Europa zu kommen, anstatt sie daran zu hindern; dass Europas Regierungen
plötzlich moralbewusst würden, anstatt Menschenrechte mit Füßen zu treten; und
dass wir endlich verstehen, dass unser demographisches Problem im Moment
anscheinend nur durch mehr Einwanderung zu lösen ist. Bis dahin kann aber
trotzdem Einiges getan werden, und ich denke die oben genannten Vorschläge
wären ein guter Anfang.
Harald Köpping
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* Die Vorschläge sind inspiriert von einem Treffen des
stipendiatischen Arbeitskreises der Friedrich-Ebert-Stiftung „Europaforum“.
EU Ombudsmann startet öffentliche Konsultation über Frontex und Grundrechte
ReplyDeleteDie EU-Grundrechtecharta wurde 2009 rechtlich bindend für Frontex, die ihren Sitz in Warschau hat. Seitdem haben verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen Zweifel daran geäußert, ob die Agentur genug unternimmt, die Charta einzuhalten. So wurde zum Beispiel der Einsatz von Grenzschutz-Teams durch Frontex in Griechenland in Frage gestellt, wo inhaftierte Immigranten in Haftanstalten unter Bedingungen untergebracht wurden, die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte kritisiert wurden.
Alle Dokumente zur öffentlichen Konsultation finden Sie unter: http://www.ombudsman.europa.eu/de/cases/correspondence.faces/de/11757/html.bookmark
Danke für deinen Kommentar Anne! Frontex sollte eigentlich Thema eines Posts für sich sein, vielleicht willst du ja was schreiben? Schon allein rechtlich steht Frontex ja eher auf wackligen Füßen...
ReplyDeleteWir wollten auf diesem Wege auf die wichtige öffentliche Konsultation des EU-Ombudsmannes aufmerksam machen, weil es zum Themenfeld passt, und hoffen auf rege Beteiligung.
ReplyDeleteAnne